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"Egal, wer gewinnt, es ändert nichts"

Von Lin Noueihed, Bagdad

Politik

Während US-Präsident George W. Bush bei den Präsidentschaftswahlen die Nase vorn hatte, waren die meisten Menschen im Irak damit beschäftigt, ihr Überleben zu sichern. Der Wahlkrimi erregte hier kaum Aufmerksamkeit.


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"Wir haben zu viele eigene Probleme. Diese Explosionen, diese Unsicherheit, die Saboteure, da können wir uns nicht darum kümmern, ob nun dieser oder jener in Amerika gewinnt", meint Georges Butros, ein alter Mann, der außerhalb seines Lebensmittelgeschäftes in Bagdad sitzt. "Man kann ohnehin erst dann ein Urteil über einen Politiker abgeben, wenn er an der Macht ist", meint Butros.

Während ein Wahlsieg des Irak-"Kriegsherrn" Bush immer wahrscheinlicher wurde, verfolgten viele Iraker im Fernsehen die zahlreichen religiösen Programme, die während des heiligen Monats Ramadan ausgestrahlt werden. "Die US-Politik wird sich nicht ändern, egal ob nun Bush oder Kerry im Weißen Haus sitzt, für uns macht das keinen Unterschied", sagt Raad Fadel, der in Bagdad Musikinstrumente verkauft. "Wird sich unter Kerry die Okkupation in eine Befreiung wandeln? Nein. Hat Bush seine Versprechen gehalten? Nein. Wer auch immer gewinnt, wir sind seiner Gnade ausgeliefert".

Viele Iraker sind Bush zwar dankbar, dass sie Saddam Hussein endlich los sind, fast alle leiden jetzt aber unter der hohen Kriminalität, die ein Verlassen des Hauses bei Nacht unmöglich macht. Und auch jene Iraker, die Interesse für die Wahl zeigen, erwarten nicht, dass die täglichen Bombardements, Entführungen und Tötungen ein Ende finden werden, wenn der eine oder der andere Kandidat gewinnt.

Ibrahim Kalil, der aus einem Teppichgeschäft gelaufen kommt, ist da eine Ausnahme: "Ich bin für John Kerry. Von Bush haben wir nichts bekommen. Man weiß nie, vielleicht ist Kerry für eine Überraschung gut". Reuters