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Egal wovor: Hauptsache fürchten

Von Hermann Sileitsch

Analysen

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Die Inflation ist ein Biest mit vielen Gesichtern. Alle, die es betrachten, sehen darin etwas völlig anderes - aber alle fürchten sich davor. Ob Angst vor Deflation oder galoppierender Inflation ist dabei eine Art Glaubensfrage: Die Daten können in beide Richtungen gedeutet werden.

Die Sorge vor Deflation ist eher etwas, das die Ökonomen und Notenbanker umtreibt: Dauerhaft fallende Preise würden kaum einen Konsumenten stören. Dass sich dahinter eine gefährliche Konstellation verbirgt, die noch dazu äußerst schwer zu bekämpfen ist, wird oft vergessen. Deflation wird nämlich meist begleitet von hartnäckiger Stagnation - über viele Jahre. Die aktuelle Wirtschaftslage macht Deflation zwar nicht sehr wahrscheinlich; angesichts der Abschwächung der Konjunktur, der stockenden Kreditvergabe und der vielen Finanzmarktturbulenzen lässt sie sich aber auch nicht ausschließen.

Inflationsphobikern bereiten wiederum die großen Geldmengen Kopfzerbrechen, welche die Zentralbanken in das Finanzsystem pumpen (und die tendenziell als Inflationstreiber wirken). Dieses Geld kommt aber derzeit im Euroraum nur unzureichend im Kreislauf zwischen Banken und Unternehmen an.

In Großbritannien, wo die Bank of England viel ungenierter als die Europäische Zentralbank (EZB) Geld druckt, sieht das anders aus. Dort liegt schon jetzt die Inflationsrate (4,8 Prozent) deutlich höher als im Durchschnitt des Euroraums (3,0 Prozent).

Verzerrende Einmaleffekte

Den Normalverbraucher beschäftigt hohe Inflation viel mehr. Schließlich lehrt der Alltag: Alles wird immer viel teurer, als Politiker (und Statistiker) behaupten. Richtig ist daran, dass ein beträchtlicher Teil der Teuerung mit Abgaben und Gebühren hausgemacht ist, die Politik also Mitverantwortung trägt. Das sind aber Einmaleffekte. Diese verhindern mit den hohen Rohstoffkosten im Moment eine niedrigere Teuerungsrate, sagen aber wenig über die künftige Entwicklung aus.

Durchaus nachvollziehbar ist deshalb die Einschätzung von EZB-Chef Mario Draghi, dass die Inflation noch einige Monate über der Zwei-Prozent-Zielmarke bleiben, danach aber darunter zurückgehen werde. Die Notenbanken wollen primär verhindern, dass sich eine Spirale aus Inflationserwartung, Preissteigerungen und höheren Löhnen verfestigt.

Längerfristig betrachtet sind die Österreicher schlicht verwöhnt. Eine Teuerungsrate von fast 10 Prozent wie 1974 ist heutzutage kaum noch vorstellbar. Seit damals ging die Kurve nur bergab - deshalb werden mehr als 3 Prozent als fast galoppierende Inflation empfunden.