In jedem Politiker steckt ein Missionar. Bei Überdosis droht jedoch das Schicksal eines | Einzelkämpfers.
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Nächstenliebe, Pflichtgefühl, Sendungsbewusstsein oder einfach nur Egomanie? Es gibt viele Gründe für einen Einzelkämpfer , sein Glück in der Polit-Arena zu versuchen. Gemeinsam ist ihnen ein schwieriges Verhältnis zu den Allernächsten. Teamfähigkeit gehört meist nicht zu ihren Stärken. So gesehen blieb vielen ohnehin gar nichts anderes übrig, als den Erfolg auf eigene Faust zu suchen.
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Spuren hat allerdings kaum einer von ihnen hinterlassen. Politik in technokratischen Demokratien funktioniert eben auch ohne revolutionäre Geister ganz leidlich.
Gallup-Meinungsforscher Fritz Karmasin macht für den Misserfolg der Einzelkämpfer ihren Mangel an Geld und Bürger-Vertrauen verantwortlich. "Die meisten Menschen trauen diesen Leuten nicht zu, dass sie sich gegen die etablierten Parteien durchsetzen", ist Karmasin überzeugt.
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Hans-Peter Martin will nun offensichtlich den Gegenbeweis antreten, häufen sich doch die Anzeichen für seine Kandidatur bei den Nationalratswahlen. Dieses Gerücht über den eigenen Kolumnisten war der "Kronen Zeitung" immerhin eine ganze Titelseite wert. Die Erfolgschancen beurteilt Karmasin trotzdem skeptisch. Da wäre zum einen der lange Schatten des schwarz-roten Kanzlerduells, zum anderen das dichte Gedränge um die Stimmen der EU-Skeptiker, um die bereits SPÖ, FPÖ und BZÖ heftig werben.
Bei den EU-Wahlen 2004 gelang Martin, der noch 1999 als Spitzenkandidat für die SPÖ angetreten war, das Kunststück, 340.000 Stimmen oder 14 Prozent zu erobern. Sein schwieriger Charakter ist übrigens fast schon sprichwörtlich, hat er sich doch früher oder später noch mit jedem Weggefährten überworfen.
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Einer der ersten Polit-Rebellen war Franz Olah . Der heute fast 96-jährige NS-Widerstandskämpfer stieg nach 1945 zu einem der mächtigsten Männer in der SPÖ auf. Doch 1964 überwarf er sich mit seiner Partei und trat bei den Wahlen 1966 mit seiner eigenen Liste "Demokratische Fortschrittliche Partei" (DFP) an. Die 3 Prozent, die Olah gewann, reichten zwar nicht für ein Mandat - sehr wohl aber verhalfen sie der ÖVP zum Gewinn der absoluten Mehrheit.
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In der Best-of-Einzelkämpfer-Liste darf natürlich auch Gerhard Hirschmann nicht fehlen. Der ehemalige steirische ÖVP-Landesrat trennte sich im Streit von seiner Partei und kandidierte mit einer eigenen Liste bei den Landtagswahlen 2005. Doch Hirschmann verglühte wie weiland Ikarus mit fortlaufender Dauer des Wahlkampfs. Magere 2 Prozent Stimmanteil setzten einen Schlusspunkt unter eine über weite Strecken bemerkenswerte, schließlich jedoch irrlichternde Karriere.
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Am dezidierten Wählerunwillen ist auch Kaiser-Enkel Karl Habsburg gescheitert. 1996 durfte er noch auf einem ÖVP-Ticket die Luft im EU-Parlament schnuppern, 1999 versuchte er sein Wahlglück als einsamer Spitzenkandidat der Christlich Sozialen Allianz (CSA). Die magere Ausbeute: 1,54 Prozent.
Die Wege von Richard Lugner und Rudolf Fußi haben sich 1999 bei der Kleinst-Partei "Die Demokraten" gekreuzt. Der Society-Baumeister hatte da seinen größten Polit-Erfolg schon hinter sich: Bei den Bundespräsidentenwahlen 1998 kam er auf fast 10 Prozent. Fußis Sternstunde leuchtete erst 2002: Das von ihm betriebene Volksbegehren gegen die Abfangjäger kam auf 625.000 Unterschriften.
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Mathias Reichhold muss demgegenüber hoffen, dass ihm ein Schicksal als Einzelkämpfer erspart bleibt. Der Kärntner Bio-Bauer, glücklose Kurzzeit-Verkehrsminister und verhinderte FPÖ-Spitzenkandidat von 2002 fand danach bei Frank Stronach Brot und Arbeit. Nun drängt es ihn offensichtlich wieder in den Dunstkreis der Politik: Reichhold hat sich für einen Vorstandsposten bei der Asfinag beworben - und soll als Favorit von Verkehrsminister Hubert Gorbach gelten.