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Nathalie Loiseau ist die Kandidatin von Präsident Emmanuel Macron.
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Nathalie Loiseau ist lustig. Als sie noch Frankreichs Europaministerin war, erzählte sie, sie habe ihrem Kater den Namen "Brexit" gegeben. "Er weckt mich jeden Morgen auf, weil er raus will und miaut dabei, als ginge es ums Leben. Sobald ich ihm die Tür öffne, bleibt er unentschlossen auf der Schwelle stehen und wenn ich ihn dann rausschiebe, schaut er mich böse an." Lange hielt sie damit die britische Presse auf Trab, bis sie gestand, dass alles ein Scherz gewesen sei und sie gar keinen Kater habe. Hinter diesem Humor steckt eine gediegene außenpolitische Expertin und Politikerin.
Sie soll Präsident Emmanuel Macron als Spitzenkandidatin seiner Liste "Renaissance" ("Wiedergeburt") den Sieg bei der Europawahl vom 23. bis 26. Mai bescheren. Das Votum ist für Macron unvermittelt zum Prestigeprojekt geworden. Mit seinem vorbildlichen Verhalten nach dem Unglück von Notre Dame haben er und seine Partei den Weg aus dem Umfragekeller gefunden. Loiseau tritt nun an, um ihm einen Sieg zu bescheren. Dass Loiseau etwas von Europa versteht, weiß man nicht erst, seit sie als Ministerin dieses Portofolio innehatte. Davor war sie Diplomatin in aller Herren Länder. Besonderes Ansehen verschaffte sie sich als Pressesprecherin der französischen Botschaft in Washington während des Irakkriegs. Damals schaffte sie es, die antifranzösischen Ressentiments in den USA auszuräumen, nachdem sich Frankreich dem bewaffneten Konflikt verweigert hatte.
Dass sie mit besonderen Talenten gesegnet ist, zeigte sich schon früh: Mit vier Jahren konnte sie lesen, mit 16 bestand sie die Matura mit Auszeichnung, mit 19 schloss sie die Eliteuniversität Institut d’Études Politiques de Paris ab. Fünf Jahre lang war sie die Direktorin der Kaderschmiede École Nationale d’Administration. Das mag auf den ersten Blick verwundern. Hat doch Präsident Macron vor kurzem angekündigt, diese Institution schließen zu wollen. Doch sei es gerade Loiseau gewesen, die ihm geraten habe "diesem Ameisenhaufen einen starken Tritt zu versetzen", heißt es.
Hauptkonkurrent bei den Europawahlen werden für die Mutter von vier Söhnen die rechten Ausleger vom "Front National" Marine Le Pens sein. Dabei stellt die 54-Jährige, die mit 20 selbst auf einer Liste mit Rechtsextremen kandidiert hatte, ihrem Neubeginn Europas den Nationalismus und Rechtspopulismus entgegen, der einen Zerfall Europas bedeutet. "Wir wollen etwas gegen den Klimawandel tun, wir wollen Elektroautos? Sehr gut. Dann müssen wir auch zusehen, dass wir die Batterien in Europa herstellen und nicht in China. Das bringt Arbeitsplätze, das bringt saubere Transportwege, das bringt Wachstum. Aber Frankreich kann das nicht alleine machen. Dafür braucht es Europa", erklärte sie in einem Fernsehinterview.