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Eher tot als zur Untersuchung?

Von Christa Karas

Wissen

Jährlich 260.000 Neuerkrankungen und 100.000 Tote. | Früherkennung bleibt das wichtigste Gegenmittel. | Wien. Die allgemein gestiegene Lebenserwartung hat ihren Preis in Form von (auch chronischen) Erkrankungen. Darmkrebs ist eine dieser Geißeln, die in Europa gehäuft bei Menschen zwischen 65 und 75 Jahren auftritt. In Österreich gibt es pro Jahr rund 5000 neue Fälle von Kolonkarzinom bei etwa 2700 Todesfällen, die zu 90 Prozent verhindert werden könnten.


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Dass dem nicht so ist, liegt einerseits daran, dass die Darmspiegelung - zu der jeder Mensch ab 50 gehen sollte - noch nicht im Screening der Vorsorgeuntersuchungen enthalten ist. Allerdings wird sie fast immer auf Verschreibung des Arztes von den Kassen gezahlt und immer wieder von den Fachleuten "beworben", da damit Krebsvorstufen genau entdeckt und die Karzinomentstehung verhinderbar wäre. An mangelnder Information liegt es also nicht unbedingt.

Tatsächlich ist es wohl eher die Angst vor der zwar völlig schmerzlosen, aber meist als nicht sehr angenehm und von vielen Älteren als peinlich empfundenen Kolonoskopie, die sie vor der Untersuchung zurückschrecken lässt.

Dabei ließen sich, so Ass.-Prof. Irene Kührer, Onkologin an der Chirurgischen Universitätsklinik am Wiener AKH, "mit einer Basis-Kolonoskopie um das 50. Lebensjahr alle Karzinomvorstufen erfassen." Vom gutartigen Darmpolypen bis zum Karzinom dauert es fünf bis sieben Jahre. Durch die Früherkennung würde das Karzinom indessen gar nicht entstehen, da solche Polypen bei der Dickdarmspiegelung gleich entfernt werden können.

Univ.-Prof. Bela Teleky, stellvertretender Leiter der Abteilung für Allgemeinchirurgie am AKH Wien betont indessen auch die in den vergangenen Jahren weit fortgeschrittenen, wesentlich schonenderen Operationsmethoden bei Kolonkarzinomen: "Heute brauchen nur noch zehn Prozent der Betroffenen einen definitiven künstlichen Ausgang. Früher waren es 80 bis 90 Prozent der Betroffenen."

Längeres Überleben

Und schließlich gibt es dank der Weiterentwicklung der medikamentösen Therapie auch für Patienten mit fortgeschrittener, metastasierender Erkrankung noch relativ gute Chancen. Univ.-Prof. Christoph Zielinski, Onkologe und Vorstand der Universitätsklinik für Innere Medizin I am Wiener AKH: "Im Jahr 1980 betrug die mittlere Überlebenszeit bei Anwendung der beiden damals bekannten Medikamente sechs Monate. Durch die Einführung neuer Substanzen in die Therapie haben wir nun eine mittlere Überlebenszeit von zwei Jahren erreicht."

Aber auch Fünf-Jahres-Überlebensraten seien - mit an die 30 Prozent - bei Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung keine Seltenheit mehr, so Zielinski. Mittlerweile gelinge es oft, mit Hilfe von Strahlen-, Chemo- und Biotech-Therapie als inoperabel geltende Tumoren chirurgisch zu entfernen und die vorhandenen Metastasen zurück zu drängen.

"Verhindern - Heilen - Lindern" ist das Motto der am kommenden Wochenende in Wien stattfindenden Tagung der Europäischen Föderation für Dickdarmkrebs (EFR) unter Präsident Bela Teleky.

Krebs "aushungern"

Schon am Mittwoch startete die ABCSG (Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group) ihr neuestes Forschungsprojekt QUASAR 2, das eine deutliche Verbesserung der Therapie von Darmkrebs im Frühstadium zum Ziel hat. Untersucht wird eine Erweiterung der bisher üblichen Chemotherapie um Infusionen mit dem Wirkstoff Bevacizumab, welche die neuerliche Ausbildung von Tumoren nach einer Krebsoperation verhindern soll.

ABSCG-Präsident Univ.-Prof. Michael Gnant: "Die Initiative dazu ging von Großbritannien aus, wo sich an die 100 Zentren beteiligen. Außerdem nehmen weitere zwölf Länder daran teil, darunter Österreich. Diese internationale Kooperation ermöglicht schnellere Forschungsergebnisse."

18 Zentren der ABCSG in Österreich werden an der Studie teilnehmen. Bevacizumab ist ein Angiogenesehemmer, der das Wachstum von Blutgefäßen in Tumorzellen blockiert, den Tumor also quasi "aushungert". Bei Patienten mit fortgeschrittenem Darmkrebs hat sich die Substanz bereits bewährt, nun werden ihre Erfolgsaussichten im Frühstadium untersucht.