Franz Mauthner, der Vorsitzende der Fachgruppe Familienrichter in der Richtervereinigung, über Anwalts- zwang bei den Ehescheidungen und Ehepakten. Ein "Wiener Zeitung"-Interview.
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"Wiener Zeitung": Was halten Sie von der Idee, das System der Ehepakte auszubauen?
Franz Mauthner: Man muss zwei Fallgruppen unterscheiden: Da gibt es jene Ehen, wo sich die Situation der Partner am Ende der Ehe gegenüber dem Anfang nicht verändert hat. Hier sind Ehepakte äußerst sinnvoll. Anders sieht die Situation aus, wenn sich im Verlauf der Ehe wesentliche Änderungen ergeben: Vor allem Kinder, aber auch Krankheit zum Beispiel. Da muss es ein gesetzliches Korrektiv geben.
Wie soll so ein Korrektiv aussehen?
Bei wesentlich geänderten Verhältnissen sollte der Richter prüfen, ob der Ehevertrag noch gültig ist. Vergleichbar dem Grundsatz clausula rebus sic stantibus im allgemeinen Zivilrecht.
Was halten Sie vom Vorschlag, bei den Scheidungsverfahren Anwaltspflicht einzuführen?
Bei streitigen Ehescheidungen halte ich einen Anwaltszwang prinzipiell für sinnvoll. Es ist für den Richter nämlich fast unmöglich, über alle Konsequenzen der Scheidung aufzuklären. Bei den einvernehmlichen Scheidungen würde ich Zwang eher ablehnen - wozu so ein großes Trara machen? Sinn machen könnte es allenfalls da, wo es Kinder oder viel Vermögen gibt. Da, wo sich die Leute einig sind oder kein Vermögen haben, sehe ich kein Bedürfnis.
Das Argument, ohne Anwalt würden Ehepartner übervorteilt, lassen Sie nicht gelten?
Gerade wenn man den Schutzgedanken anspricht, sollte man darauf achten, dass eine Ehe nicht blind geschlossen wird. Es ist nicht einzusehen, dass die Leute erst bei der Scheidung aufgeklärt werden. Bereits bei der Eheschließung gehört ein Beratungsgespräch durchgeführt. Wenn sich die Leute ein Auto kaufen oder einen Handy-Vertrag abschließen, machen sie sich wesentlich mehr Gedanken als beim Heiraten. Was auch übersehen wird, ist, dass nicht der ökonomisch Schwächere automatisch auch vor Gericht der Schwächere ist. In der Mehrzahl der Fälle wollen ja die Frauen die Scheidung - und die geben dann oft auch vor Gericht den Ton an.
Verkomplizieren Anwälte das Verfahren?
Prinzipiell kann man das nicht sagen. Wenn zwei Anwälte dabei sind, artet das manchmal in Lagerkämpfe aus. In der Regel agieren die Anwälte aber vernünftig. Fest steht, dass sich die Leute vielfach um Bagatellbeträge streiten, ob ihnen damit gedient ist, dass sie sich bis aufs Messer bekriegen, wage ich zu bezweifeln.
Wäre es nicht sinnvoll, Scheidungsverfahren an Mediatoren zu übertragen oder zumindest jeder Scheidung ein Gespräch beim Mediator oder Familientherapeuten voran zustellen?
Selbstverständlich. Offenbar leben wir aber in einer Zeit, wo man meint, mit Kriegen Probleme lösen zu können. Viele Leute, die sich scheiden lassen, haben nie gelernt, mit unterschiedlichen Meinungen umzugehen. Da gibt es einen Mangel an Konfliktkultur, den das Recht eigentlich nicht lösen kann. Zu glauben, das Recht könnte sämtliche menschlichen Beziehungen regeln, ist Utopie. Es sei denn, man baut den Menschen Mikrochips ein, die die Richter regulieren.
Das Gespräch führte M.G. Bernold