"Granderwasser": Warum sein Erfinder die Auszeichnung behalten darf. | Wien. Was haben der Bioethiker Erich Loewy, der Molekularbiologe Kim Nasmyth und der Physiker und Nobelpreisträger Walter Kohn mit dem Esoteriker Johann Grander gemeinsam? Sie sind Träger des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst. Was im Fall des Letztgenannten freilich kurios ist und derzeit für Kopfschütteln und Unmut bei zahlreichen Wissenschaftern sorgt, wurde Grander doch nicht wegen etwaiger künstlerische Leistungen ausgezeichnet, sondern für seine Erfindung des "belebten Wassers" ("Granderwasser").
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Zwar erhielt der tüchtige Tiroler sein Ehrenkreuz bereits im Jahr 2001, was damals aber offensichtlich kaum jemandem aufgefallen war. In der Folge erhärtete indessen eine Vielzahl von Studien und Untersuchungen den begründeten Verdacht sachverständiger Wissenschafter. Nämlich dass sich das "Granderwasser" ausschließlich durch seinen üppigen Preis und das dafür nötige Zubehör von normalem Leitungswasser unterscheidet.
Gericht: Quacksalberei
In Neuseeland wurde die Granderwasser-Vertriebsfirma deshalb im Jahr 2005 zu einer Strafe und zu 72.000 Euro Schadenersatz verurteilt wurde, nachdem die zuständige Richterin zur Erkenntnis gekommen war, es handle sich um Quacksalberei auf Basis von Pseudowissenschaft. Vor zwei Jahren schrammte die Firma schließlich knapp an einem Betrugsverfahren vorbei: Das Oberlandesgericht Wien schloss die dafür nötige "Bereicherungsabsicht" aus, da Grander den Käufern seiner Produkte ein dreimonatiges Rücktrittsrecht gewährt.
Dasselbe Gericht entschied aber, dass die Bezeichnung "aus dem Esoterik-Milieu stammender, parawissenschaftlicher Unfug" sachlich ebenso begründet ist wie der Vorwurf, dass "Menschen, die an gefährlichen Krankheiten … leiden, möglicherweise leichtgläubig auf dringend notwendige medizinische Behandlung verzichten", weil sie der "Wirkung des Wunderwassers vertrauen". Den Beweis dafür lieferte die Firmenstrategie selbst, welche die angeblichen Wirkungen nicht direkt anführt, sondern über ein ausgewähltes, positives Kundenfeedback verbreitet bzw. verbreiten lässt.
Insbesondere der Journalist und Umweltpublizist Hans Kronberger (von 1996 bis 2004 auch FPÖ-Abgeordneter zum Europäischen Parlament), der schon 1996 "Auf der Spur des Wasserrätsels" (so der Titel seines in elf Sprachen übersetzten Buches über das "Granderwasser") wandelte, leistete hierzu entscheidende Beiträge, darunter später auch einen Film über die "immer größer werdende Familie der Granderanwender". Nicht auszuschließen, dass Kronberger, der auch als Stifter eines Umweltpreises für Journalisten namhaft wurde, seinerzeit den Anstoß für die Ehrenkreuz-Verleihung gab.
Schon im Jahr 2003 regten sich indessen kritische Stimmen hinsichtlich dieser Verleihung. Das damalige Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kunst tat diese mit dem Hinweis auf "wissenschaftliche Studien" ab, welche die Wirksamkeit der "Grander-Technologie" bewiesen hätten. Mittlerweile wurden diese mehrfach - auch durch Gerichtsgutachten - widerlegt, in denen es zusammenfassend heißt, dass es sich bei den "Anwendungs- und Untersuchungsberichten um keine wissenschaftlich geführten Arbeiten handelt" und eine Wirkung "nicht wissenschaftlich nachgewiesen ist".
Grander ist nicht Gross
Johann Grander durfte dennoch und darf jetzt erst recht sein Ehrenkreuz behalten, wie Wissenschaftsminister Johannes Hahn soeben in Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage entschieden hat. Seine Begründung: Es gab bisher nur einen Fall, in dem das Ehrenkreuz jemandem aberkannt wurde, und das war 2003 der NS-Euthanasiearzt Heinrich Gross.
Deshalb sei die Anwendung des Paragraphen 8a des Ehrenzeichengesetzes im Fall Grander aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht zu vertreten, in dem festgeschrieben ist: "Werden später Tatsachen bekannt, die einer Verleihung entgegen gestanden wären, … so ist das Ehrenkreuz … abzuerkennen."
Angefragt hatten die Abgeordneten Johann Maier, Josef Broukal, Kurt Grünewald, Martin Graf und Alexander Zach auf Anregung der Mitglieder der Gesellschaft für Kritisches Denken um den Spieltheoretiker Ulrich Berger und den Hydrobiologen Erich Eder (beide Universität Wien). Sie alle durften damit im Umkehrschluss zur Kenntnis nehmen: Leistungen auf dem Gebiet der Wissenschaft sind kein Erfordernis für eine wissenschaftliche Auszeichnung.