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Ehrung für einen lebenslangen Kampf für Freiheit

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Der Glaube an die Demokratie, der sich von Karl Renner bis Bruno Kreisky wie ein roter Faden durch die österreichische Sozialdemokratie gezogen hat, hat sich in einem Jahrhundert, das geprägt war durch die Verirrungen des Faschismus und des Stalinismus, letztlich als richtig erwiesen, sagte der spanische Schriftsteller Jorge Semprun Mittwochabend in seiner Dankesrede anlässlich der Verleihung des "Bruno-Kreisky-Preises für das politische Buch 2004". Jorge Semprun bekam den Preis für sein publizistisches Lebenswerk.


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In der vom Renner-Institut in der Nationalbibliothek veranstalteten Preisverleihungsfeier betonte SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer, wie er als Jugendlicher durch Filme wie "Z" und "Das Geständnis", für die Semprun die Drehbücher geschrieben hat, politisch geprägt wurde.

Der SPÖ-Fraktionsführer im Europaparlament, Hannes Swoboda, Vorsitzender der Preisjury, unterstrich in seiner Laudatio Sempruns Liebe zur Freiheit, die ihn zum Kämpfer gegen den Nationalsozialismus, das Francoregime und den Stalinismus gemacht hat. Auch Europa sei für Semprun vor allem eine Frage der Freiheit, die sein ganzes Leben und Wirken bestimmt hat. Europa solle den Kampf um Freiheit nicht dem amerikanischen Präsidenten überlassen, sondern das Projekt der Freiheit für sich und seine Nachbarn selbst verwirklichen.

Der am 10. Dezember 1923 in Madrid geborene Jorge Semprun hatte zu Beginn des spanischen Bürgerkrieges 1936 mit seiner Familie die Heimat verlassen, war als Student 1941 der kommunistischen Widerstandsbewegung beigetreten und 1943 von der Gestapo verhaftet und ins KZ Buchenwald deportiert worden, wo er 1945 von den Amerikanern befreit wurde und nach Paris zurückkehrte. Von 1957 bis 1962 arbeitete er unter dem Decknamen Federico Sanchez für das Zentralkomitee der spanischen KP (PCE) im Untergrund in seiner alten Heimat, 1964 wurde er wegen Abweichung von der Parteilinie aus der PCE ausgeschlossen. Seither widmete er sich seiner schriftstellerischen Tätigkeit - mit einer Unterbrechung von 1988 bis 1991, als er unter Felipe Gonzalez parteiloser Kulturminister war.

Seine Auseinandersetzungen mit dem Nationalsozialismus, seine Hafterfahrungen in Buchenwald, sein Kampf gegen das Francoregime und die Abrechnung mit dem Stalinismus in der spanischen KP stehen im Mittelpunkt seiner Bücher, von denen 17 auch in deutschen Übersetzungen erschienen sind: "Die große Reise", "Was für ein schöner Sonntag", "Der Tote mit meinem Namen", "Die Ohnmacht" und "Schreiben oder Leben" schildern seine Haft in Buchenwald und die Zeit der Rückkehr. In seiner Autobiographie "Federico Sanchez" schildert er seine Auseinandersetzung mit dem Stalinismus, in "Federico Sanchez verabschiedet sich" seine Jahre als Kulturminister und in dem erst vor kurzem erschienen Roman "Zwanzig Jahre und ein Tag" das franquistische Spanien der Fünfzigerjahre, als er dort im Untergrund lebte. U.a. schrieb er aber auch eine hinreißende Biografie über Yves Montand "Das Leben geht weiter".

In seiner Dankesrede, in der sich der in Frankreich lebende Jorge Semprun als hervorragender Kenner österreichischer Geschichte, Philosophie und Literatur zu erkennen gab, machte er aber auch seiner Sorge um Europa Ausdruck und stellte manche französische Sozialdemokraten wegen ihrer ablehnenden Haltung zur EU-Verfassung an den Pranger. "Könnte nicht das Renner-Institut für diese Politiker einen Schnellkurs in Austromarxismus veranstalten?" fragte er.