Zum Hauptinhalt springen

Ehud Baraks Polit-Poker drängt "Bibi" Netanyahu aus dem Spiel

Von Christian Fürst

Politik

Jerusalem - Ehud Barak hat mit höchstem Einsatz gepokert und - gewonnen. Sein überraschender Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten am 10. Dezember, mit dem er Neuwahlen innerhalb von 60 Tagen erzwang, hatte unter anderem ein Ziel: Er wollte seinen alten Widersacher Benjamin Netanyahu vom Likud ausschalten, der ihn in der Wählergunst zuletzt weit abgehängt hatte.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 24 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Am frühen Dienstagmorgen war das Ziel erreicht. "Bibi" Netanyahu, Ministerpräsident von 1996 bis 1999, zog schmollend seine Kandidatur für das höchste Regierungsamt zurück. Das Parlament hatte dem 51-Jährigen zuvor eine Abfuhr erteilt und die von ihm geforderte Selbstauflösung der Knesset abgelehnt. Barak, den nach Meinung israelischer Medien "nur noch ein Wunder" vor einer Niederlage gegen Netanyahu bei der Direktwahl im Februar retten konnte, hat plötzlich wieder politischen Boden unter den Füßen. Er wird nun gegen den 72-jährigen Vorsitzenden des rechtsgerichteten Likud-Block, Ariel Sharon, antreten. Nach Meinung aller Experten sind seine Chancen dabei erheblich größer als gegen Netanyahu.

Netanyahu, der Parlamentswahlen zur Bedingung seiner Kandidatur gemacht hatte, weil er sich davon eine Stärkung des Likud versprach, blieb nur noch der Rückzug. Und dies, obwohl die Knesset zuvor mit großer Mehrheit ein Gesetz verabschiedet hatte, das ihm ausdrücklich die Kandidatur ermöglichte, obwohl er kein Abgeordneter mehr ist. Ausgerechnet die ultraorthodoxe Shas-Partei, die Barak in diesem Jahr schon so viele Niederlagen beigebracht hatte, zeigte nun Netanyahu die kalte Schulter.

Für den umstrittenen Likud-Chef Ariel Sharon bedeutet Netanyahus Rückzug einen Triumph. Doch sowohl Barak als auch Sharon könnten die politische Rechnung ohne Shimon Peres gemacht haben. Der Ex-Ministerpräsident, der noch nie eine Wahl gewonnen hat, trug sich auch nach dem Rückzug Netanyahus noch mit dem Gedanken, als "Kandidat des Friedenslagers" bei der Wahl gegen Barak und Sharon anzutreten.