Zum Hauptinhalt springen

Eidgenössische Luxussorgen

Von Eva Stanzl

Wirtschaft

Finanzplatz Schweiz wächst trotz Diskussionen um Bankgeheimnis. | Unternehmen gehen über Österreich nach Osteuropa. | Zürich/Wien. Druck auf das Bankgeheimnis, Streit mit Libyen, krisenbedingte Rückgänge im Außenhandel: In ihrer "Medienmitteilung" zum Export 2009 vermeldet die Schweizer Zollgemeinschaft ein "annus horribilis".


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Was für den Schweizer gleichsam garstig ist, treibt dem gelernten Österreicher den Puls nicht höher - zumal es ihm schlechter geht. "Die Schweiz hat Luxussorgen", räumt Gudrun Hager, Österreichs Handelsdelegierte in Zürich, ein. In absoluten Zahlen: Die Ausfuhren aus der Eidgenossenschaft sind 2009 um 9,7 Prozent auf 123 Milliarden Euro gesunken bei einem Budgetplus von 1,8 Milliarden Euro. Österreich verzeichnete dagegen ein Exportminus von 19,9 Prozent auf 94,17 Milliarden Euro und die Ausgaben überstiegen die Einnahmen um knapp zehn Milliarden.

In der Schweiz erwarten Ökonomen von 22 Instituten für heuer ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 1,2 Prozent, zeigt eine Umfrage der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. Im Dezember waren sie noch von plus 0,8 Prozent ausgegangen.

Erfreulich sei nicht nur das Ausmaß des Wachstums, sondern auch dessen Zusammensetzung. So seien keine Sonderfaktoren für die guten Zahlen verantwortlich, sondern die Fortschritte seien breit abgestützt, so die Ökonomen. Bausektor, Handel, Gastgewerbe, Verkehr und Landwirtschaft legten zu - einzig die Industrie stagnierte.

Konsum, Ausrüstungsinvestitionen und Exporte, besonders von Chemikalien und Uhren, hätten im letzten Quartal positive Beiträge geliefert - die Rückgänge von Bestellungen aus Libyen um rund drei Viertel wirken sich also kaum aus.

73 Prozent fürBankgeheimnis

Selbst der Sektor Finanzmarktdienstleistungen vermeldet eine Wertschöpfungssteigerung von 1,1 Prozent - obwohl Kapital aufgrund der Diskussion um die Abschaffung des Bankgeheimnisses abgezogen wird, etwa in Richtung Asien. Rund 73 Prozent der Eidgenossen wollen dennoch am Bankgeheimnis festhalten, zeigt eine am Freitag veröffentlichte Umfrage der Schweizerischen Bankiervereinigung.

Für Österreich ist die Schweiz der drittwichtigste Markt. 2009 übertrafen die Pharma-Exporte erstmals jene von Maschinen (20 Prozent), denn Schweizer Pharma-Riesen produzieren ihre Arzneien zunehmend im "Billiglohnland" Österreich. Neue Chancen für heimische Betriebe sieht Hager in Infrastruktur, erneuerbaren Energien, Hoch- und Tiefbau und bei Fertighäusern.

Immer mehr Schweizer Firmen suchen zudem österreichische Geschäftspartner als Türöffner nach Zentral- und Südosteuropa (CEE). "Die Schweizer sind gegenüber Ost-Ländern jenseits von Österreich vorsichtig. Derzeit haben wir aber immer mehr Anfragen nach Partnern mit Erfahrung", sagt Hager. Manche Österreicher bewerben auch aktiv ihre Ost-Expertise: Kommende Woche plant die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich eine CEE-Veranstaltung in Zürich.