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Eiertanz um Ceta

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik
Nur Mut. Premier May traute sich in die Brüsseler Höhle des Löwen. Die keine Höhle sei, wie Ratspräsident Tusk dann versicherte.
© reu/Herman

Beim EU-Gipfel rangen die Staats- und Regierungschefs um Zusammenhalt in ihrer Russland- und Handelspolitik. Der Brexit war ein inoffizielles Thema, der Widerstand Walloniens gegen das Handelsabkommen mit Kanada ein offenes.


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Brüssel. Theresa May war die Erste. Vor ihren Amtskollegen betrat sie das Brüsseler Ratsgebäude, das sie schon in den Jahren zuvor in vielen Sitzungsstunden als Innenministerin kennengelernt hat. Dennoch war es für die Britin eine Premiere. Sie kam als Premierministerin zu ihrem ersten EU-Gipfeltreffen. Und sie kam mit einer "klaren Botschaft", wie sie sagte. Die lautete: Großbritannien verlasse die EU, doch bis dahin werde es eine aktive Rolle in der Gemeinschaft spielen. Danach werde es weiterhin ein verlässlicher Partner sein.

Offiziell standen Gespräche über das künftige Verhältnis zwischen der Insel und dem Kontinent nicht auf der Agenda der Zusammenkunft, die am heutigen Freitag fortgesetzt wird. Bevor diese Verhandlungen überhaupt anfangen können, muss das Königreich einen schriftlichen Antrag auf einen Austritt aus der Union stellen. Das wird in Brüssel immer und immer wieder betont. Davor "brauchen wir das nicht zu vertiefen", befand die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel vor der Sitzung.

Dennoch war das Treffen für beide Seiten wichtig, um die Stimmungslage, die Bewegungsräume und mögliche Hürden auszuloten. Schon jetzt scheint aber klar, dass sich ein "harter Brexit" abzeichnet, ein Ausstiegsprozess, in dem die Europäer nicht viele Zugeständnisse machen wollen. Von diesen will Großbritannien umgekehrt ebenfalls absehen, zumindest in einem Bereich: im freien Personenverkehr. Die Regierung in London verspricht ihren Landsleuten eine deutliche Verringerung der Einwanderung.
Das aber ist kaum vereinbar mit dem "bestmöglichen Zugang zum europäischen Markt", den sich May für das Königreich wünscht und den sie kurz vor dem EU-Gipfel im Parlament in London in Aussicht gestellt hatte. Dort gibt es Differenzen über die Rolle, die das Abgeordnetenhaus im Verhandlungsprozess spielen soll. Das Parlament hätte nämlich gern mehr Mitspracherecht, als May bereit wäre zu gewähren. Sie kündigte an, den Austrittsantrag bis Ende März des kommenden Jahres abzuschicken. Eine Abstimmung darüber lehnt sie ab.

 
Druck auf Belgien

Dennoch standen in Brüssel nicht die innenpolitischen Turbulenzen Großbritanniens im Fokus sondern jene eines anderen Mitglieds. Denn der Widerstand eines belgischen Landesteils gegen das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada hat Ceta auf die Agenda des EU-Spitzentreffens gebracht. Das Regionalparlament Walloniens hatte gegen die Unterzeichnung des Vertrags gestimmt. Daher konnten sich die Handelsminister der EU im Vorfeld nicht darauf verständigen und mussten eine Entscheidung auf den EU-Gipfel vertagen. Dort wuchs der Druck auf Premier Charles Michel.

Bis zuletzt wurde also an den Details zusätzlicher Erklärungen gearbeitet, die eine spätere Einwilligung der Wallonen ermöglichen sollen. Ein Sondertreffen der EU-Botschafter, das dazu beitragen sollte, zog sich bis in die späten Abendstunden des Donnerstag. Gleichzeitig berief der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette eine Regierungssitzung ein. Am heutigen Freitag soll das Regionalparlament zusammentreten.
Um Zusammenhalt rangen die Staats- und Regierungschefs aber auch in einem anderen Bereich. Das Verhältnis der Union zu Russland stand bei ihrem Abendessen zur Debatte. Russische Luftangriffe auf die syrische Stadt Aleppo haben Empörung ausgelöst und befeuerten eine Diskussion über mögliche Strafmaßnahmen gegen den Kreml. Diese würden zu den Wirtschaftssanktionen hinzukommen, die die EU wegen des Ukraine-Konflikts verhängt hat.

Eine Entscheidung darüber blieb beim Gipfeltreffen aus. Dennoch betonte EU-Ratspräsident Donald Tusk, dass "alle Optionen" auf dem Tisch seien. Aber die Mitgliedstaaten sind sich da keineswegs einig. In die Reihe der Vorsichtigen stellt sich etwa Österreich. Bundeskanzler Christian Kern erklärte: Es sei "nicht der Zeitpunkt, über Sanktionen zu reden, sondern wie wir den Friedensprozess in Gang bekommen".

Darum drehten sich denn auch die Gespräche, die kurz zuvor in Berlin zu Ende gegangen waren. Dort hatten Kanzlerin Merkel und Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande den russischen Präsidenten Wladimir Putin getroffen. Dieser wurde aufgefordert, für einen dauerhaften Waffenstillstand in Aleppo zu sorgen. "Das Hauptaugenmerk muss darauf gelenkt werden, den Menschen zu helfen", sagte Merkel laut der Nachrichtenagentur Reuters. Eine mehrstündige Feuerpause sei jedenfalls "nicht ausreichend", meinte Hollande.