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Eiertanz um Gen-Freiheit

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Wirtschaft

Keine Mehrheit für Selbstbestimmung bei Gentechnik. | Rechtsstreit unter den EU-Institutionen. | Brüssel. Der Weg zur Selbstbestimmung der EU-Länder beim Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) wie künstlich mutierten Mais-, Raps- oder Erdäpfelsorten ist offenbar hürdenreicher als erwartet. Denn über den Herbst hat sich eine recht stabile Front gegen den entsprechenden Kommissionsvorschlag vom Sommer gebildet.


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Darunter befinden sich große Mitgliedstaaten wie Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien. Verschärft wird die Situation durch einen veritablen Rechtsstreit zwischen den EU-Institutionen. Deren Juristen haben die Vorlage der Kommission geprüft und kommen zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen.

Für heuer wird daher kaum mehr mit nennenswerten Fortschritten gerechnet. Diese Hängepartie ist für Österreich wenig erfreulich, nachdem Umweltminister Nikolaus Berlakovich nach jahrelangem und intensivem Lobbying bereits über die politische Kehrtwende der lange strikt GVO-freundlichen EU-Kommission gejubelt hatte.

Kritische Länder mit Blockade-Möglichkeit

Denn das Gutachten des juristischen Dienstes des Rates (Kammer der Mitgliedstaaten in Brüssel) stützt nach Aussagen von Diplomaten die Bedenken der kritischen EU-Länder, die eine komfortable Sperrminorität haben. Sie befürchten, dass die Rückübertragung der Kompetenzen für den Anbau den EU-Binnenmarkt beschädigen, nicht mit den Regeln der Welthandelsorganisation WTO vereinbar sein könnte und der Vorschlag auf Basis der Binnenmarktbestimmungen keine passende Rechtsgrundlage habe.

Die Rechtsexperten der EU-Kommission zerpflücken die Stellungnahme ihrer Kollegen, die im Bürogebäude auf der anderen Straßenseite sitzen. In einem entsprechenden Arbeitspapier, das den Mitgliedstaaten diese Woche zugestellt wird, nehmen sie in allen Punkten gegensätzliche Standpunkte ein. In den meisten Fragen würden sie dabei vom juristischen Dienst des EU-Parlaments gestützt, hieß es. Über die Begründungen, welche die EU-Staaten künftig für ihre Anbauverbote angeben dürften, wollen Parlament und Rat allerdings noch genauere Informationen.

"Ethische oder sozio-ökonomische" Gründe

Weil das einheitliche Genehmigungsverfahren für GVO in der EU nicht geändert werden soll, dürften für die künftigen nationalen Verbote nicht die Gefährdung von Gesundheit oder Umwelt, sondern bloß "ethische oder sozio-ökonomische" Gründe ins Treffen geführt werden. Ansonsten würde die Autorität der EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa untergraben. Diese bescheinigt den GVO auf Basis der Herstellerunterlagen regelmäßig völlige Unbedenklichkeit; auf ihr Urteil stützt sich die Kommission bei der Zulassung.

So vermuten Diplomaten bereits, dass der Widerstand einiger Länder auch daraus resultieren könnte, dass die Kommission die vor zwei Jahren einstimmig geforderte Überarbeitung der rechtlichen Vorgaben für die Efsa noch immer nicht vorgelegt hat. So weit werde es wohl erst nächstes Jahr sein, hieß es aus Kommissionskreisen.