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Eigene Lösungen der Länder könnten EU-rechts- und verfassungswidrig sein.
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Wien. Nein, es geht immer noch nichts weiter. Und die Nettigkeiten, die die Beteiligten untereinander austauschen, sind auch nicht gerade dazu angetan, das Klima zwischen den Mindestsicherungs-Verhandlern wieder auf eine amikale oder auch nur professionelle Ebene zu heben. Umso mehr erscheint es sinnvoll, einen Blick auf die Konsequenzen dieses Hickhacks zu werfen.
Wenn es nämlich zu keiner Neuauflage der Ende des Jahres auslaufenden 15a-Vereinbarung zur Mindestsicherung kommt, dann wird sich Bundesland um Bundesland eine eigene Lösung suchen. Und dass diese dann auch rechtskonform sind, ist nicht unbedingt geklärt. Das zeigt schon jetzt das Beispiel Oberösterreich. Dort gilt seit 1. Juli bekanntlich die reduzierte Mindestsicherung für Asyl- und Subsidiär Schutzberechtigte: Sie erhalten nur noch 365 Euro Mindestsicherung monatlich und zusätzlich einen Integrationsbonus von 155 Euro, wenn sie bestimmte Integrationsvoraussetzungen erfüllen. Dass diese Regelung nicht verfassungswidrig ist, liegt an der novellierten Asylgesetzgebung.
Asylrechtsnovelle ebnete Weg für Mindestsicherung Neu
Zur Erklärung: In der bis Jahresende gültigen Vereinbarung zwischen Bund und Ländern steht, dass jene Personen, "die zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind", einen Rechtsanspruch auf die Bedarfsorientierte Mindestsicherung haben. Taxativ sind darunter unter anderem Asylberechtigte angeführt. Weil aber seit Inkrafttreten der Asylgesetznovelle am 1. Juni 2016 der Flüchtlingsstatus zunächst nur noch für drei Jahre zuerkannt wird, sind Personen, die seither Asyl bekommen haben, nicht mehr zu "dauerndem Aufenthalt" berechtigt. Daher kann das Land Oberösterreich ihnen eine reduzierte Mindestsicherung auszahlen, ohne dass dies verfassungswidrig wäre. Allerdings eben nur jenen Asylberechtigten, die nach dem 1. Juni ihren Status erhalten haben. Und das ist bisher 15 Mal der Fall, wie man hört.
"Dass das verfassungsrechtlich in Ordnung ist, hilft aber nichts, weil es ja auch unionsrechtskonform sein muss", sagt dazu Michaela Windisch-Graetz vom Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Uni Wien. Nachsatz: "Und da sehe ich das wirkliche rechtliche Problem." Denn in der sogenannten Status-Richtlinie, in der die Union die Normen für die Anerkennung von Flüchtlingen festlegt, ist der Anspruch auf Sozialleistungen klar geregelt: Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt wurde, müssen demnach "in dem Mitgliedstaat, der diesen Schutz gewährt hat, die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats erhalten". Für Windisch-Graetz ist die Sache klar: "Nach derzeitigem Stand darf die Mindestsicherung daher nicht gekürzt werden."
Die in Niederösterreich geplante Regelung könnte gleich in mehrfacher Hinsicht problematisch sein: Dort wird am Donnerstag eine Kürzung für jene Personen beschlossen, die in den vergangenen sechs Jahren nicht mindestens fünf Jahre in Niederösterreich aufhältig waren. Laut Windisch-Graetz könnte das eine mittelbare Diskriminierung von Flüchtlingen darstellen - außer, die Niederösterreicher verwehren die volle Mindestsicherung zum Beispiel auch einem österreichischen Staatsbürger, der zum Beispiel in Deutschland gelebt hat.
Die Juristin verweist aber auch auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, in dem dieser in Bezug auf die Residenzpflicht in Deutschland - interessanterweise entgegen dem Wortlaut der entsprechenden Richtlinien - festgestellt hat, dass Asylberechtigte und Staatsangehörige nicht vergleichbare Personengruppen seien. "Das ist das Einfallstor für alle, die den Richtlinien-Wortlaut nicht befolgen wollen", sagt Windisch-Graetz.
Deckelung verfassungsrechtlich problematisch?
Ein verfassungsrechtliches Problem könnte auch die Deckelung der Mindestsicherung für Familien auf 1500 Euro darstellen - in Niederösterreich wird der Deckel am Donnerstag eingeführt, die ÖVP beharrte auch in den Verhandlungen darauf. Wie Verfassungsrichter Rudolf Müller der "Wiener Zeitung" im Interview sagte, hat der VfGH bereits in den 1980er Jahren eine ganz ähnliche Regelung in Kärnten als verfassungswidrig aufgehoben - unter anderem mit der Begründung, dass mit steigender Kinderzahl zwar gewisse Synergieeffekte eintreten, aber der zusätzliche Aufwand für das zweite und dritte Kind nicht bei null liegt.
Kurzum: Eine wohldurchdachte gemeinsame Lösung von Bund und Ländern hätte also nach wie vor ihren Reiz. Allerdings schien man auch am Dienstag davon weit entfernt zu sein. Sozialminister Alois Stöger sagte vor dem Ministerrat, er sehe "bisher noch keine Bewegung vonseiten der ÖVP." Daran ändern offenbar auch die jüngsten Vorschläge wie eine flexible "Untergrenze" von ÖVP-Verhandler August Wöginger nichts: Es gehe darum, Menschen vor Armut zu schützen, das sei die Funktion der Mindestsicherung, betonte Stöger. "Noch weiter nach unten zu gehen, kann ich mir nicht vorstellen."