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Eiertanz um Roaming-Kosten

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik
© fotolia/travnikovstudio

EU-Kommission legt neuen Vorschlag zur Abschaffung von Zusatzgebühren für Mobilfunk vor.


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Brüssel. Der Eiertanz um die Abschaffung der Roaming-Gebühren geht weiter. In einer abermaligen Wende präsentierte die EU-Kommission einen Vorschlag, der das Telefonieren im Ausland ohne zusätzliche Kosten näher bringen soll. Es soll dabei keine zeitliche Beschränkung mehr geben, denn nach Protesten aus dem EU-Parlament und von Konsumentenschützern hat die Behörde erst vor kurzem ihren ursprünglichen Entwurf zurückgezogen. Dieser hat vorgesehen, die Roaming-Freiheit auf 90 Tage im Jahr einzuschränken.

Die Gebühren sollen also ab Mitte des kommenden Jahres völlig wegfallen, und wer sein Handy dann im Ausland nutzt, soll dafür nur so viel zahlen wie im Inland. Das hat die Kommission schon vor Jahren versprochen, und in der Zwischenzeit sind die Roaming-Kosten deutlich gesunken. "Seit 2009 sind die Gebühren bei SMS und Telefonaten um 92 Prozent und bei Datennutzung um 68 Prozent gefallen", betonte EU-Vizekommissionspräsident Andrus Ansip bei einer Pressekonferenz.

Gleichzeitig aber musste die Behörde den Spagat zwischen Kundenfreundlichkeit und Unternehmensinteressen schaffen. Immerhin möchten Investoren und Telekom-Firmen, die Geld etwa in den Ausbau von Netzen fließen lassen, auch später davon profitieren, meinte Ansip. Wenn aber die großen Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten zum Missbrauch verleiten, sollten sich die Unternehmen dagegen wehren können.

Der für digitale Wirtschaft zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger erklärte es am Beispiel Lettlands. Dort seien die Kosten für Mobilfunk 6,5 Mal geringer als in Irland. Ein Ire könnte sich nun eine lettische SIM-Karte kaufen und sie - ohne jemals in den baltischen Staat zu reisen - in seiner Heimat nutzen, um seine Kosten zu drücken. Und wenn jemand diesen Handel geschäftsmäßig betreiben würde, dann wäre das Missbrauch.

Um sich gegen solche Fälle zu schützen, sollen die Telekom-Unternehmen ihre Kunden prüfen dürfen. Da es keine zeitlichen und keine Volumen-Beschränkungen für die Nutzung geben soll, plädiert die Kommission nun für das Wohnsitz-Prinzip: Die Betreiber sollen überwachen dürfen, ob die SIM-Karte hauptsächlich zu Hause oder im Ausland benutzt wird. Wenn jemand sich ständig in Österreich aufhält, aber immer mit einer ausländischen Karte telefoniert oder seine österreichische auffällig selten nutzt, kann ein Anbieter wieder Zuschläge verlangen. Zusatzkosten könnten auch für die Besitzer mehrerer SIM-Karten entstehen. Die Kunden müssten dann nachweisen, dass sie die Abschaffung der Roaming-Gebühren nicht missbrauchen.

Kontrolle über Handy-Nutzung?

Der Vorschlag der Kommission klingt nicht nur kompliziert, sondern wirft auch etliche Fragen auf. Wer entscheidet, was "auffälliges Nutzungsverhalten" ist? Welcher Mobilfunkbetreiber - im Falle mehrere SIM-Karten - wird die Zuschläge verlangen? Wie groß wird der bürokratische Aufwand dafür? Gibt es datenschutzrechtliche Bedenken? Müssen Geschäftstreibende oder Auslandsstudenten künftig nachweisen, dass sie sich tatsächlich im Ausland aufhalten? Während die Kommission versichert, dass weder Urlauber, noch Pendler oder Menschen, die dienstlich viel unterwegs sind, mit Strafzahlungen rechnen müssen, bleiben viele Details des Vorhabens noch völlig offen.

Dennoch stoßen die Pläne im EU-Parlament auf vorsichtige Sympathie. Die größte Fraktion, die Europäische Volkspartei, begrüßte sie. Auch von den Sozialdemokraten kamen positive Signale. Einwände hingegen hatten die Grünen. Sie kritisierten, dass Telekom-Firmen die "Vollmacht" erhalten sollen, "zu bestimmen, wie viel ihre Kunden in der Europäischen Union kommunizieren dürfen".

In Wirtschaftskreisen selbst wird hingegen darauf verwiesen, dass diese Kontrolle kaum möglich sei. Vor allem bei Pre-paid-Karten sei es nicht nachvollziehbar, wo und wie viel sie verwendet werden. Die Brüsseler Pläne seien also zu vage und lösten das Problem des permanenten Roamings - und damit eines möglichen Missbrauchs - nicht, heißt es aus einem Telekom-Unternehmen. Ein Datenlimit in Kombination mit einem Tageslimit wäre vorzuziehen. Doch solch einen Entwurf hat die Kommission ja zurückgezogen.