König setzt vorerst auf Übergangspremier. | Keine neue Regierungskoalition in Sicht. | Brüssel. Fast sieben Monate sind seit den vorgezogenen Wahlen in Belgien vergangen. Von einer neuen Regierung ist in dem politisch gespaltenen Land aber noch wenig zu sehen; wie sie aussehen könnte, ist ebenso offen. | Portugal hofft auf Milde des Marktes
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Inmitten der Eurokrise sorgt dieser Zustand in dem hoch verschuldeten Staat zunehmend für Nervosität. Mehr als hundert Prozent der Wirtschaftleistung dürften die Außenstände zum heurigen Jahresende betragen. Schließlich lag es an König Albert II. ein wenig Ruhe in die verfahrene Situation zu bringen.
Den geschäftsführenden Premierminister Yves Leterme beauftragte der König mit der umgehenden Ausarbeitung eines strengen Sparbudgets für 2011. Schon heute, Mittwoch, könnte ein erster Entwurf vorliegen; flämische Medien rechnen mit einem Defizitziel von 3,7 Prozent des BIP. Dafür müsste Leterme allerdings vier Milliarden Euro einsparen - und damit beginnen neue Probleme.
Denn unterschiedlich sind die Interpretationen des königlichen Auftrags: Ist damit auch die Kompetenzausweitung der Übergangsregierung zu einer Notregierung verbunden? Oder handelt es sich eher um eine Ermunterung an alle Parteien, die Übergangsregierung zu unterstützen? Kommentatoren beider Landesteile rätseln darüber ausführlich.
Politische Gegenpole
Fast in den Hintergrund rückte dadurch der Besuch des flämischen Sozialdemokraten Johan Vande Lanotte beim König am Dienstagabend. Nach einigen Wochen erfolgloser Vermittlungsversuche zwischen den sieben potentiellen Koalitionsparteien, wollte er eigentlich aufgeben. Erwartet wurde jedoch, dass Albert II. Vande Lanotte für eine weitere Runde in den Ring schickt. Die Wahlsieger vom Juni 2010 sollten den "königlichen Vermittler" dabei etwas mehr unterstützen, hieß es.
Denn bei den beiden handelt es sich um politische Gegenpole, die sich bisher zuverlässig abgestoßen haben. Bart De Wever, Separatistenchef von der Neuen Flämischen Allianz (N-VA), will weniger Transferleistungen aus dem reicheren Flandern in den französischsprachigen Süden und mehr Kompetenzen für die Regionen. Elio Di Rupo dagegen, der Vorsitzende der wallonischen Sozialisten, setzt sich für gesamtstaatliche Solidarität und eine starke Zentralregierung ein.
Keinem ist bisher eine Zauberformel zur Aufweichung der Fronten eingefallen. Vande Lanotte hatte immerhin auf mehr als 60 Seiten eine detaillierte Staatsreform ausgearbeitet. Sozialdemokraten und Grüne beider Landesteile sowie die wallonischen Christdemokraten wollten das Papier als Gesprächsgrundlage akzeptieren, N-VA und Flanderns Christdemokraten winkten jedoch ab.
Zu letzteren gehört auch Leterme, der für seine Regierungsbildung vor drei Jahren zehn Monate gebraucht hatte, um dann alle zwei bis drei Monate bei König Albert II. um seinen Rücktritt zu bitten. Die Vorlage eines strengen Sparbudgets könnte nun zu einer seiner letzten Bewährungsproben in der belgischen Spitzenpolitik werden. Wie die Einigung auf eine Koalition könnte aber auch sie eine unbestimmte Zeit lang dauern.