Nach Verhängung der EU-Wirtschaftssanktionen durchforsten österreichischen Firmen ihre Verträge mit russischen Partnern. | Die Wirtschaftskammer befürchtet einen Einbruch der Exporte nach Russland um ein Fünftel für das heurige Jahr.
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Wien/Moskau. 57 Anfragen sind innerhalb von zweieinhalb Tagen auf dem Schreibtisch des österreichischen Wirtschaftsdelegierten in Moskau gelandet. Die Wirtschaftssanktionen gegen Russland treten am heutigen Freitag in Kraft, und so durchkämmen aktuell heimische Firmen ihre Verträge mit russischen Partnern. Immerhin drohen bei Verstößen gegen Sanktionen hohe Strafen, aber auch Reputationsschäden.
Gut ein Drittel der Anfragen an Dietmar Fellner betraf Eigentümerüberprüfungen. Die Strafmaßnahmen verbieten nämlich jegliche direkte oder indirekte wirtschaftliche Interaktion mit auf den Sanktionslisten vermerkten Personen sowie mit allen Unternehmen, an denen eine gelistete juristische oder natürliche Person Eigentum von 50 Prozent oder mehr hält. Darüber hinaus gilt dies auch für Firmen, die von sanktionierten Personen direkt oder indirekt kontrolliert werden und über die diese einen dominanten Einfluss ausüben können. Dabei ist nicht nur die EU-Sanktionsliste, sondern auch die der USA zu beachten.
Die anderen zwei Drittel der Anfragen kamen von Firmen, die wissen wollten, ob sich Maschinen, die sie in nächster Zeit liefern wollten, auf der Dual-Use-Liste befinden, also zu dem Kreis der nun sanktionierten Produkte gehören, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können.
Exporte von bis zu 200 Millionen Euro könnten betroffen sein
Zwar sind alle Überprüfungen der letzten Tage negativ ausgegangen - man wisse aber, dass die Sanktionen auch auf österreichische Firmen Auswirkungen haben werden, sagt Fellner. "Unsere Befürchtungen gehen dahin, dass Exporte im Ausmaß von 150 bis 200 Millionen Euro betroffen sein könnten", so der Wirtschaftsdelegierte. Insgesamt beliefen sich Österreichs Exporte nach Russland im Vorjahr auf 3,47 Milliarden Euro, das sind 2,8 Prozent der österreichischen Gesamtausfuhren. Insgesamt sind rund 1200 österreichische Firmen im Russlandgeschäft aktiv.
Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl warnte diese Woche, dass die Ausfuhren nach Russland heuer um ein Fünftel einbrechen könnten. Diese Negativprognose, erklärt Fellner, liege aber nicht alleine an den jetzt verhängten Sanktionen. Bereits seit einem Jahr würde die russische Konjunktur schwächeln, 2013 konnte Moskau nur ein Wirtschaftswachstum von 1,3 Prozent verzeichnen. Hinzu komme eine bedeutende Abwertung der russischen Landeswährung Rubel, die Einfuhren um 15 bis 20 Prozent verteuert hat. So würden momentan nur die allernotwendigsten Güter aus dem Ausland importiert. Die instabile politische Situation im Land halte russische Unternehmen von Neuinvestitionen ab.
Raiffeisen International sieht nur "geringe" Auswirkungen
Da Österreich sehr stark im russischen Bankensektor engagiert ist - Bank Austria und Raiffeisen Bank International (RBI) gehören zu den Top Ten der größten russischen Banken - gibt es vor allem in diesem Sektor Befürchtungen über indirekte Einbußen, etwa aufgrund geringerer Kreditnachfrage. Bei der RBI wird jedoch beschwichtigt. Da sich die EU-Sanktionen im Wesentlichen auf den Zugang bestimmter staatlicher russischer Finanzinstitutionen zum Kapitalmarkt beschränken, seien "nach jetzigem Informationsstand die Auswirkungen auf die RBI-Gruppe gering", heißt es gegenüber der "Wiener Zeitung".
Ein zweites Sorgenkind für Österreich ist der Energiesektor. Zwar wurde der Gasbereich bei den EU-Sanktionen ausgespart, Russland drohte aber am Mittwoch Brüssel, dass die "antirussischen" Strafmaßnahmen unweigerlich zu höheren Energiepreisen in Europa führen würden. Beim österreichischen Mineralölkonzern OMV will man sich "aufgrund fehlender Fakten" nicht zu den Ankündigungen Moskaus äußern. Auf die Frage, wann sich der Gaspreis ändern könnte, hieß es vonseiten der OMV, dass der Bezug vom russischen Gasmonopolisten Gazprom langfristig ausgelegt sei. In "regelmäßigen Abständen" gebe es die Möglichkeit für Gespräche über Anpassungen. Zuletzt sei eine Interimslösung erreicht worden, weitere Gespräche würden laufen. Aufgrund von Vertraulichkeitsklauseln könne man aber keine weiteren Details nennen.