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Die verantwortlichen Europa-Politiker wollen die Europäische Union verständlicher machen. Die EU-Politik liegt in der Hand der Staats- und Regierungschefs und vor allem der Außenminister der Mitgliedstaaten. Diese vertreten als Chefdiplomaten ihr Land auf der ganzen Welt, nur wenige EU-Mitgliedsländer leisten sich den Luxus eines eigenen Regierungsmitglieds ausschließlich für Europafragen. Nun mehren sich die Forderungen nach einem Europa-Minister für jeden EU-Mitgliedstaat. So könnte die Union sichtbarer gemacht werden. Andere befürchten dadurch eine weitere bürokratische Ebene, die die Übereinstimmung in EU-Fragen erschwert.
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"Auch zu Hause interessieren uns nicht die Schaltpläne des Umspannwerkes, sondern, dass das Licht brennt, wenn wir am Schalter drehen." EU-Agrarkommissar Franz Fischler zieht diesen Vergleich heran, um zu erklären: "Es interessiert die Betroffenen herzlich wenig, warum Entscheidungen in Bereichen wie der Außen- und Sicherheitspolitik so kompliziert sind und lange dauern." In einer beachtlichen Rede beim "Batliner Europainstitut" in Salzburg forderte Fischler einmal Mal einen stärkeren Dialog zwischen den Bürgern und der EU ein; die Entscheidungsprozesse müssten transparenter werden. Fischler ließ vor allem mit seiner Forderung nach einem eigenen Europaminister aufhorchen. Durch einen Minister würde Europa für die Bürger "sichtbarer und zum Angreifen sein".
Die Idee hatte bereits im Frühjahr Frankreichs sozialistischer Premierminister Lionel Jospin in seiner Rede zur Reform der EU vorgebracht. Frankreich hat mit Pierre Moscovici einen Europa-Staatssekretär. Auch die meisten Kandidatenländer haben ein Regierungsmitglied für Europafragen abgestellt. Österreich hatte zu Zeiten der Beitrittsverhandlungen mit Brigitte Ederer die erste und bisher letzte Europastaatssekretärin.
Die Vertretung der Mitgliedsländer auf EU-Niveau durch die Außenminister sei nicht mehr zeitgemäß, argumentiert Fischler. "Wir brauchen stellvertretende Regierungschefs oder zumindest Staatssekretäre", deklariert sich SP-EU-Abg. Hannes Swoboda als vehementer Befürworter von der Idee eines "Europa-Ministers". Ein solcher sollte die Koordinierungsfunktion zwischen den Mitgliedstaaten und Brüssel übernehmen, fordern Fischler und Swoboda unisono. Zumal die Außenminister im Rat für Allgemeine Angelegenheiten "nicht alles beschließen können", so Swoboda. Dem gibt der derzeit urlaubende EU-Erweiterungsbeauftragte, Erhard Busek, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" Recht. "Der Rat für Allgemeine Angelegenheiten (zu dem die Außenminister in EU-Angelegenheiten zusammen treffen, Anm.) ist sehr arbeitsintensiv". Bei 200 Sitzungstagen im Jahr stelle sich die Frage, "wann soll da noch gearbeitet werden?".
Ob die Lösung des Problems ein Europa-Minister sein und der Erhard Busek heißen könnte? "Die Problematik ist in Wirklichkeit: EU-Politik ist nicht Außenpolitik, sondern eine Mischung zwischen Innenpolitik und Außenpolitik", antwortet Busek diplomatisch. Die Zahl der Sitzungen müsste sehr wohl reduziert werden. Diese sollten öffentlich stattfinden. Ministerin Benita Ferrero-Waldner forderte zuletzt beim EU-Außenministerrat TV-Übertragungen, wie das in Österreich bei den Tagungen des Parlaments der Fall ist. Einen eigenen Europa-Minister hält sie nicht für sinnvoll, teilte ihr Büro auf Anfrage der "Wiener Zeitung" mit. "Europa-Minister könnten nichts anderes tun, als die Außenminister jetzt tun." Dass sie überlastet sind, darüber sind sie sich einig. Um entlastet zu werden, können sie sich eine Verlagerungen von Kompetenzen auf EU-Parlamentsebene vorstellen.