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Eigenkapital für ein Jahr

Von Hans-Paul Nosko

Wirtschaft

Viele Jungbetriebe von Pleite bedroht. | Schmerzhafte | Eingriffe notwendig. | Wien. Um es gleich vorwegzunehmen: Die meisten Neugründer überstehen die Anfangsjahre. Bleiben im ersten und zweiten Jahr jeweils etwa drei Prozent der Newcomer auf der Strecke, so sind es zehn Jahre nach Gründung 20 Prozent. Einer der Hauptgründe für ein ungewolltes Ende ist mangelndes Eigenkapital.


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Wie viel braucht man, um den Sprung in die Selbständigkeit riskieren zu können? "Ein Einzelunternehmer sollte zumindest ein Jahr lang leben können, ohne Geld aus dem Betrieb nehmen zu müssen", sagt Hans-Georg Kantner, Insolvenz-Experte des Kreditschutzverbandes von 1870 (KSV). In anderen Worten: Ein Neugründer muss imstande sein, ein Jahr lang gratis zu arbeiten und die Kosten seines Unternehmens zu tragen.

Kosten vorher kennen

Hierfür ist es wichtig zu wissen, wann Einnahmen zu erwarten sind, aber auch, wann welche Ausgaben (v.a. laufende) anfallen, betont Kantner. Da die Kosten sich zumeist recht exakt prognostizieren lassen, die Einkünfte jedoch nicht, muss ein genügend großer Eigenkapitalpolster vorhanden sein. Ziemlich hilflos steht der Unternehmer allerdings einer Anhebung des Mietzinses für sein Geschäftslokal gegenüber. Darin sieht Kantner einen der Hauptgründe für viele Insolvenzen, die ihre Spuren nicht nur in der Statistik, sondern auch im Stadtbild hinterlassen.

Auch die Größe des Betriebes will gut überlegt sein. "Lieber drei Mal umziehen als von Anfang an zu groß dimensionieren", rät Kantner. Wer sich hier gleich von Beginn an übernimmt, kann bald böse Überraschungen erleben.

Last but not least sollte der so oft beschworene Business-Plan stimmen: "Der muss zwar nicht besonders raffiniert sein, sollte aber Grundparameter wie Konsumenten, Produkte, Standort und Auslastung berücksichtigen", sagt der Experte. Die Kenntnis spezifischer Kundengewohnheiten ist hier äußerst nützlich. So wechselt etwa Hamburgs Schickeria die "angesagten" Lokale im Durchschnitt alle sechs Monate. "Dann kommt eine Durststrecke für die Inhaber", weiß Kantner.

Bleiben Kunden, Gäste, Aufträge aus, so ist Alarmstufe 1 auszurufen. "Da kann man einen Monat, vielleicht zwei Monate warten, ob es besser wird." Ab dem dritten Monat sollte jedoch redimensioniert werden, rät der KSV-Manager. Ein schmerzhafter Eingriff, bei dem Werte vernichtet werden, sei dies allemal, aber oft die einzige Chance, um zu überleben.

Handelt es sich um ein gewachsenes Unternehmen, so ist es spätestens dann nötig, auf die erforderlichen Strukturen und hoffentlich bereits existierenden Strukturen zurückzugreifen: Der Firmenchef sollte das Tagesgeschäft abgeben, um ein Krisenmanagement in Gang zu setzen. Dies erfordert natürlich die Existenz eines Stellvertreters, der den operativen Teil nahtlos übernehmen kann.

Dann geht's ans Kostensenken. Kantner: "Es gibt kein Unternehmen, das das nicht könnte, da jeder erfolgreiche Betrieb im Lauf der Jahre Speck angesetzt hat." Nur bei den Personalkosten zu streichen, sei jedoch eine kurzfristige Strategie.

Speck abbauen

Neue Märkte, neue Produkte, neue Konsumentenschichten sind zu überlegen, die sattsam bekannten "Nischen" aufzuspüren. Gängige Praxis sei allerdings immer noch, dass der Firmenchef im Krisenfall noch mehr Zeit und Mühe ins Tagesgeschäft steckt und daher kein alternatives Szenario entwickeln könne, weiß der Insolvenzexperte. Weitaus schwerer als ein derartiger Betrieb hat es jedoch der Einzelunternehmer. "Er mietet ein Büro an, in dem drei Computer stehen, die Aufträge bleiben für einige Zeit aus, er muss Konkurs anmelden", schildert Kantner einen typischen Verlauf. "Dagegen gibt es leider kein Patentrezept."