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Eigenlob ist unangebracht

Von Ernest G. Pichlbauer

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Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.

Ich weiß nicht, wie oft man das sagen muss, bis auch Politiker lernen, dass unser Gesundheitssystem schlecht ist. Die Bevölkerung, die weiß es nämlich schon.


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"Wen man in Österreich mit dem weltbesten Gesundheitssystem über eine Reform desselben spricht, ist das so, als würde das Ski-Nationalteam nach einer Reform rufen." Das meint ÖVP Gesundheitssprecher Erwin Rasinger und fügt sich in die Reihe der Gesundbeter und Realitätsverweigerer.

"Wiener Zeitung"-Leser wissen, dass solche Aussagen, im Gegensatz zu den nachprüfbaren Medaillen der Ski-Asse, alles andere als beweisbar sind. Daher sollte man sie als "populistische Leerstücke" gleich vergessen. Aber tun wir so, als ob wir nachdenken wollten. Wie beweist man, dass ein System gut ist?

Das ist gut erforscht: Ein System ist bestens, wenn mit den eingesetzten Ressourcen das machbare Maximum an Gesundheit produziert wird. Das System muss dazu Ressourcen für Versorgung und Behandlung aufbringen und dem Bedarf entsprechend sinnvoll verteilen.

In Österreich haben wir sehr viele Ressourcen im Einsatz. Mit etwa 470 praktizierenden Ärzten (ohne Zahnärzte) pro 100.000 Einwohner liegen wir unangefochten an erster Stelle - und trotzdem wird gerne über Mangel gejammert! Der Begriff Arbeit ist eben dehnbar wie Gummi.

Aber auch mit 110 Millionen Kassenarzt-Besuchen ohne Wahlärzte und Spitals ambulanzen) liegen wir vermutlich ganz vorne; hier ist aber das Zählen und Vergleichen nicht so leicht.

Dass wir mit 30 Spitalsaufnahmen pro 100 Einwohner spitze sind, ist Allgemeinwissen. Dass wir vermutlich auch die meisten medizinischen Großgeräte wie Magnetresonanz haben, wissen nicht mehr alle, aber auch viele. Und wenn wir gleich fünfmal mehr Spitäler als die Dänen haben, denken die meisten Nicht-Politiker darüber nach, obs nicht doch ein bisserl weniger sein dürfte.

All das hat seinen Preis, und so darf es nicht verwundern, dass wir sehr viel Geld ausgeben und hier in der absoluten Spitzengruppe mitmischen.

Also, an Ressourcen mangelt es sicher nicht. Und weil wir das weltbeste Gesundheitssystem haben, dürften wir, dank dessen weiser Ressourcenverteilung erwarten, auch mehr Gesundheit zu finden - oder?

Schauen wir einfach nach. Unsere Senioren dürfen nicht mit allzu vielen gesunden Lebensjahren rechnen, wenigstens nicht mit so vielen, wie eben in jenen Ländern, die gleich viel ausgeben wie wir. Hier spielen wir nicht in der Oberliga, sondern mit den Nachzüglern - die aber gleich 30 Prozent weniger Ressourcen aufwenden, um das Gleiche zu erreichen (ganz abgesehen von den ehemaligen Ost-Block-Ländern, die noch viel weniger ausgeben, um ähnliche Werte zu erzielen).

Dieser Umstand spiegelt sich dann auch in anderen Zahlen wider. Die Zahl der Invaliditätspensionisten zählt hierzulande zu den höchsten. Pro 1000 Einwohner im Alter zwischen 55 und 59 Jahren werden 40 wegen Krankheit vorzeitig pensioniert. Überhaupt ist es so, dass die Zahl der Invaliditätspensionen ein Drittel aller neuen Pensionisten ausmacht - das sind in etwa 30.000 pro Jahr. Und logisch weitergedacht ist unsere Bevölkerung ein Pflegefall. Während international bei den Über-80-Jährigen mit weniger als 25 Prozent Pflegebedürftigkeit gerechnet wird, sind es bei uns fast 60 Prozent.

Im Gesundheitssystem ist es so wie im Bildungssystem: Es ist sehr, sehr teuer und wenig effektiv - von wegen weltbestes! Wenn das Politiker nicht endlich ernst nehmen, werden sie ausgetauscht werden müssen.

Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheits ökonom und Publizist.