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Reibungsflächen und Austausch bot die "Lange Nacht der Moscheen".
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Wien. Rund 100 islamische Gebetsstätten gibt es in Wien, fünf davon luden Freitagabend zur ersten "Langen Nacht der Moscheen". Moscheeführungen und Podiumsdiskussionen zu islamischen Themen erwarteten die Besucher, unter die sich sowohl "Stammkunden" als auch Neugierige mischten. Alle fünf Moscheen gehörten zum türkisch-islamischen Dachverband "Islamische Föderation", aus dessen Reihen auch der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft Fuat Sanac kommt.
Die Ridvan Moschee im 20. Wiener Gemeindebezirk liegt zwischen zwei großen türkischen Supermärkten hinter einem eher unauffälligen Hauseingang. Bei Betreten des Flurs fallen als Erstes die Kinder auf, die sich um einen Popcornautomaten scharen. Wie die heimischen Moscheen ist auch die Ridvan mehr als nur eine Gebetsstätte: Sie beherbergt einen Kindergarten, ein Jugendzentrum, einen Frisörsalon, eine Teestube und organisiert Nachhilfeunterricht. Diese Funktion als soziales Zentrum hat in der Nachbarschaft in der Vergangenheit zu mancherlei Konflikten geführt. Der Kinderlärm und die vielen Autos vor allem an den Festtagen - bis zu 800 Leute fasst die Ridvan - störten einige Anrainer.
Trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - kamen viele ältere Menschen aus der Gegend zur "Langen Nacht". Das Vortragsthema war "Muslime im Alltag". "Feministinnen glauben immer, dass sie uns befreien müssen", meinte eine der vier Referentinnen. Ein Mann war erstaunt, wie viele der "konservativ" gekleideten Mädchen ein technisches Studium absolviert haben. Die jungen Muslime wirkten besonders engagiert; keine zwei Sekunden stand man allein herum und schon wurde man angesprochen. Sie hatten diesen Abend organisiert und viel Infomaterial über den Islam und die islamische Kultur zusammengestellt. An die 70 Besucher seien im Laufe des Abends gekommen, schätzte der junge Herr am Eingang. Und wie war das Feedback? Durchwegs gut, nur ein paar Keppeleien wegen der Kinder.
Projekte zum Kennenlernen
In der Sultan Ahmet Moschee - im 17. Bezirk - wurde über das gemeinsame Miteinander diskutiert. Auch hier waren unter den Interessierten sowohl "Einheimische" als auch Austro-Türken. Knapp die Hälfte der Besucher war zum ersten Mal im Gotteshaus. "Die Gastfreundschaft fand ich schön", bekundete Barbara. Die 60-jährige Kindergartenpädagogin war vor allem aus beruflichen Gründen gekommen: "Ich wollte diese Gelegenheit nutzen, um mich über den interkulturellen Austausch in der Moschee zu informieren." Sie plant gemeinsame Kennenlern-Projekte zwischen Kindern und Gebetshaus.
Andere Gäste ließen sich durch das Gebetshaus führen, darunter die Deutsch-Lehrerin Silvia. Islamische Traditionen waren ihr bekannt: "Im Deutsch-Unterricht betreue ich viele muslimische Mädchen. Sie erzählen mir oft von ihren Bräuchen." Die 56-jährige Lehrerin, die mit ihrem Ehemann gekommen war, plädierte für mehr Toleranz: "Man muss sich auch trauen, herzukommen und mit den Leuten sprechen." Organisator Yakup Gecgel freute sich, dass so viele österreichische Familien gekommen waren.
Auch in der Hamidiye Moschee wurde zur Diskussion geladen: Der Soziologe Kenan Güngör, der Anwalt Ümit Vural und der Diplompädagoge Moussa Al-Hassan Diaw sprachen über "Identitätskollision". Die knapp drei Dutzend Gäste wurden mit Sachertorte und mit gefüllten Weinblättern verköstigt. Junge Musliminnen, ältere muslimische Herren, junge Einheimische, die die nachbarschaftliche Moschee einmal von innen sehen wollten, und ältere Anrainer, die eine kritische, aber höfliche Diskussion suchten, waren im Publikum. Letztere wurden dank des Impulsvortrags von Güngör nicht enttäuscht, der gleich am Anfang klarmachte, dass ein natürliches Harmoniebedürfnis nicht eine ehrliche Diskussion verhindern dürfe. Er sprach auch kritische Themen an, zweifelte etwa am Nutzen islamischer Schulen, da ihm die "Orte gemeinsamer Sozialisation" fehlen würden. Diaw entgegnete, die Schulsprengel würden ja ohnehin für "Ausländerschulen" sorgen und somit gemeinsame Orte der Sozialisation verhindern.
"Warum ist Mohammed für euch so wichtig? Warum tragen die Frauen ein Kopftuch?" Themen wie diese wurden bei der Fragerunde in der kleinen Hinterhofmoschee Mescidi Aksa im 23. Bezirk an der Breitenfurter Straße angesprochen. Die Stimmung war gut. Wer die Schuhe ausgezogen hat und in den warmen Raum kam, dem wurde der eigene Sessel überlassen, eine Rose mit einer Sure Mohammeds überreicht und Baklava (Blätterteigtaschen in Honig) und Schwarztee angeboten. Für die Kinder gab es eine Mal- und Bastelecke. Es gab Folder über "Die Finanzkrise aus der Sicht des Islam" oder "Zwangsehen und Ehrenmord".
"Ich habe mich hier als Außenstehender gesehen. Dann habe ich aber dem Vorbeter Fragen gestellt und mir wurden Symbole erklärt", sagte Uwe Einhaus, 36. Der Deutsche hat zufällig von der Veranstaltung erfahren. "Ich habe eine richtige Moschee erwartet. Dass diese in einem Hinterhof ist und es keine Ornamente gibt, hat mich enttäuscht."