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Ein Abgang mit Fragezeichen

Von Christoph Rella

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Dass gestandene Fußballer auch Väter sind und Familie haben, scheint sich noch nicht bei allen durchgesprochen zu haben. Das zeigen zumindest die jüngsten Reaktionen auf den - zugegeben etwas plötzlichen - Rücktritt von Teamtorhüter Ramazan Özcan. Was da in Internetforen und im Boulevard nicht alles halluziniert wurde: Von politischen Motiven - wegen der aktuellen Turbulenzen zwischen der Türkei und der EU - war da die Rede, andere stellten sogar einen Zusammenhang mit Özcans Fehlpass mit Torfolge im Türkei-Match vom März 2016 her.

Auch wenn wir Özcans wirkliche Gründe nicht kennen, so ist doch das mit Sicherheit Quatsch, und auf diesen kann vermutlich nur einer kommen, der von Fußball und Familie gleichermaßen keine Ahnung hat. Fakt ist, dass Özcan Teamchef Marcel Koller bereits im Vorjahr von seinem Wunsch, das Team aus familiären Gründen zu verlassen, unterrichtet hat. Dass sich der Vorarlberger damals zum Weitermachen überreden ließ, war von ihm nett gemeint, aber auch nicht ganz ehrlich. Wenn man dem Keeper einen Vorwurf machen kann, dann den, seinen Trainer nicht mit Nachdruck auf seine baldigen Rückzugspläne aufmerksam gemacht zu haben. Anders ist ja auch das Erstaunen bei Koller, der nun zehn Tage vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Moldawien ein veritables Torhüter-Problem hat, nicht zu erklären. Obwohl, geahnt hat er es wohl, wie hätte er sonst nach Özcans Rücktritt am Montag so rasch für Ersatz sorgen können?

Ungünstig ist die Geschichte aber trotzdem, und vielleicht wäre es möglich gewesen, den Rücktritt nicht ad hoc, sondern erst mit dem Finnland-Spiel am 28. März wirksam werden zu lassen. Die Familie ist gewiss wichtig, aber in dem Punkt hätte man sich mit den Vaterfreuden noch 14 Tage Zeit lassen können. Warum das nicht ging, wird wohl nicht mehr in Erfahrung zu bringen sein.