Schlechter Zement: Halliburton soll Ölpest mitverschuldet haben. | Konzern war im Irak größter Profiteur. | Houston/Wien. Bis jetzt war die Schuldfrage immer klar - zumindest in weiten Teilen der amerikanischen Öffentlichkeit. Der britische Energieriese BP ist verantwortlich für den Untergang der Bohrinsel "Deepwater Horizon" und die daraus resultierende Ölpest, die sich zur schwersten der US-Geschichte ausgewachsen hatte. Und der 20 Milliarden Dollar schwere Entschädigungsfonds, den die US-Regierung BP abgerungen hatte, schien da nicht nur recht und billig, sondern auch als weiterer Beleg für die Verantwortlichkeiten.
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Doch nun rückt ein nicht minder dicker Fisch in den Fokus. Eine US-Regierungskommission hatte dem milliardenschweren BP-Partnerunternehmen Halliburton am Donnerstag schwere Versäumnisse bei den Betonierungsarbeiten zur Errichtung des Bohrloches in 1500 Metern Meerestiefe vorgeworfen. Laut der Kommission war die verwendete Zementmischung instabil und hätte dadurch die Möglichkeit geschaffen, dass Öl und Gas unkontrolliert austreten konnten. Der US-Konzern trage daher vermutlich eine Mitschuld an der Explosion der Anlage. BP hatte diesen Vorwurf in der Vergangenheit bereits mehrfach erhoben. Nach der Veröffentlichung des Kommissionsberichts räumte Halliburton am Freitag ein, dass die Zusammensetzung des Zements, der zur Abdichtung in das Bohrloch gepumpt worden war, in letzter Minute noch geändert wurde. Diese Mischung wurde allerdings nicht mehr auf ihre Festigkeit hin getestet. Die Finanzmärkte reagierten entsprechend, am Donnerstag schlossen die Haliburton-Aktien mit einem Minus von fast acht Prozent.
Überteuerte Rechnungen
Negative Schlagzeilen sind für Halliburton allerdings nichts Ungewöhnliches. Vor allem wegen des vielfach kritisierten Engagements im Irak gilt der 52.000 Mitarbeiter zählende Konzern heute als Prototyp des militärisch-industriellen Komplexes und als Kriegsgewinnler. Der Irak-Krieg und Halliburton erschienen dabei fast schon wie geschaffen füreinander. Was immer die amerikanischen Kriegsplaner und die Besatzungsbehörden auch brauchten, Halliburton war zur Stelle oder konnte liefern. Das Unternehmen bohrte nach Öl, setzte Anlagen in Stand und sorgte für die Wartung. Die Halliburton-Tochter KBR baute nicht nur Pipelines und kümmerte sich um die Infrastruktur, sondern bot auch Dienstleistung zur Unterstützung der Truppen. Mahlzeiten, Wäschereidienste oder Internetservices - alles hatte Halliburton im Angebot. Dieses umfassende Leistungsspektrum war es auch, dass die US-Regierung unter dem damaligen Präsidenten George W. Bush als Begründung anführte, warum Halliburton ohne öffentliche Ausschreibung milliardenschwere Exklusivverträge zugesprochen bekam. Dass diese freimütige Vergabe etwas damit zu tun gehabt hatte, dass der damalige Vize-Präsident Dick Cheney von 1995 bis 2000 Vorstandsvorsitzender von Halliburton war, wurde hingegen vehement bestritten.
Doch das Engagement von Halliburton dürfte auch kein gutes Geschäft für die US-Regierung gewesen sein. Laut ehemaligen Mitarbeitern wurden die Steuergelder schamlos verschwendet. So wurden neue Lastwagen wegen eines platten Reifens abgeschrieben, Mitarbeiter residierten in Nobelhotels und nicht wie abgemacht in Zelten. Zudem warf der Kongress Halliburton vor, ein Drittel mehr Soldatenmahlzeiten in Rechnung gestellt zu haben, als ausgeliefert wurden, und überteuertes Benzin verkauft zu haben. Die Untersuchungen des US-Justizministeriums laufen noch bis heute.
Doch auch abgesehen von seinem Irak-Engagement geriet Halliburton immer wieder ins Zwielicht. Im Februar 2009 stimmte der Konzern etwa einer Strafzahlung von 579 Millionen Dollar zu, weil man in Nigeria über zehn Jahre hinweg Regierungsbeamte bestochen hatte.
All das hatte den wirtschaftlichen Erfolg von Halliburton bisher aber nicht dämpfen können. Im zweiten Quartal 2010 hatte der Konzern seinen Gewinn fast verdoppelt und 480 Million Dollar verdient. Dass das Unternehmen bei eine Umfrage des "Wall Street Journals" nur den letzten Platz in den Kategorien "Vertrauen" und "ethische Standards" belegte, schien für die Firmenleitung da bisher wohl verschmerzbar.