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Ein absurdes Fest für Piraten

Von Engelbert Washietl

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Der Autor ist Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse, und Salzburger Nachrichten.

Seeräuber sind nicht mehr einäugig und einbeinig wie in Romanen. Die High-tech-Banditen zur See überfordern die internationalen Ordnungskräfte.


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Große Reedereien überlegen ernsthaft, ihre Schiffe auf der Route zwischen Asien und Europa um den afrikanischen Kontinent zu dirigieren, weil die viel kürzere Route durch den Suezkanal nicht mehr sicher sei. Wozu hat Alois Negrelli das Meisterwerk des Kanaldurchstichs eigentlich vollbracht?

Die im Raum von Somalia operierenden Piraten kaperten sogar einen Öltanker mit zwei Millionen Barrel Öl im Schiffsbauch und verlangen 25 Millionen US-Dollar Lösegeld. Obwohl sich Kriegsschiffe der Nato und Russlands im Krisengebiet sammeln, halten die bestens ausgerüsteten Seeräuber derzeit 17 Schiffe mit 340 Besatzungsmitgliedern in ihrer Gewalt. Alles nur, um Lösegeld flüssig zu machen, das dann von Banditen und Hintermännern auf dem somalischen Festland im Lotterleben von Superreichen verjubelt wird. Die Räuberei auf hoher See hat sich bereits so gut eingespielt, dass die Gesamtsumme der Lösegelder auf 150 Millionen Dollar beziffert wird.

Selbst militärisch hochgerüstete Staaten stehen der neuartigen Herausforderung weitgehend hilflos gegenüber, noch fehlt eine Gesamtstrategie. Das Seerecht gibt zwar so gut wie alle Handhaben gegen Schiffspiraterie, in der Praxis aber kann die kriminelle Seuche nur bekämpft werden, wenn eine brauchbare Taktik ausgearbeitet wird, die auch das Festland einbezieht. Nur die Inder versenkten südlich von Oman ein Piratenschiff. Einen vollen Öltanker könnte man schon aus Umweltschutzgründen nicht auf den Meeresgrund schießen. Außerdem müssen Geiseln geschützt und Eigentumsrechte beachtet werden.

Die EU ist bereit, im Konzert mit anderen Mächten und unter dem Schirm der UNO zu handeln. Aber einzelne EU-Mitglieder, insbesondere Deutschland, sind noch nicht so weit. Deutschland hat schon mit dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr seine liebe Not mit der Frage, wann ein Soldat schießen darf und wann nicht - und was die eigene Bevölkerung dazu sagt.

Beim Kampf gegen die Piraterie am Kap Horn geht es sogar um so diffizile Fragen, ob Marinesoldaten die Räuber auch festnehmen dürfen oder ob man für solche Aktionen Polizeibeamte nach Afrika fliegen müsste. Und wenn schon Festnahme, was dann? Manches, was in Deutschland heftig diskutiert wird, sieht angesichts der mafiösen Großkriminalität auf hoher See spitzfindig aus, vielleicht sogar "typisch deutsch" oder auch typisch europäisch. Jedenfalls soll Anfang Dezember der Bann gebrochen werden. Sowohl Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) als auch Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CSU) empfehlen rechtliche Absicherungen für wirksame Maßnahmen. "Es muss ein robustes Mandat sein, das zur Abschreckung beiträgt und ein wirkungsvolles Handeln ermöglicht", sagte Jung.

Die deutsche Debatte ist das Kontrastprogramm zum amerikanischen Weg, wie ihn Präsident George W. Bush in seinen acht Jahren Amtszeit verkörperte. Er definierte den Terrorakt vom 11. September 2001 als "Krieg", nicht nur mit allen rechtlichen, sondern auch unrechtlichen Konsequenzen. In dem in Auflösung begriffenen Folterlager von Guantanamo sitzen noch immer 250 Menschen, die als "feindliche Kombattanten" klassifiziert werden und weitgehend rechtlos sind.

Beim Vergleich der zwei kontrastierenden Methoden staatlicher Gewalt erscheint die eine wie die andere unangepasst. Nötig wäre ein nachdrückliches und rasches Handeln, ohne Rechtsgrundsätze so zynisch zu opfern wie Bush das getan hat.