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"Ein absurdes Gespräch"

Von WZ-Korrespondent Jan Opielka

Politik
Premier Tusk lehnt alle Rücktrittsforderungen ab.
© reu/Agencja Gazeta

Polens Innenminister Bartlomiej Sienkiewicz bringt sich und die gesamte Regierung in Bedrängnis.


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Warschau. (n-ost) Polens Premier Donald Tusk gilt als verlässlicher Partner, der zuletzt in der Ukraine-Krise Akzente setzen konnte. Nun erschüttert eine Abhöraffäre seine konservative Regierung. Es geht um eine womöglich unzulässige Absprache der Regierung mit der Zentralbank über Personalien und Gesetze.

Das Nachrichtenmagazin "Wprost" veröffentlichte geheim aufgezeichnete Gesprächsmitschnitte vom Juli 2013 zwischen Innenminister Bartlomiej Sienkiewicz und dem Chef der Zentralbank (NBP), Marek Belka. Bei einem Treffen in einem Warschauer Restaurant äußert der Minister, die Regierung sei auf Mehrausgaben vor den 2015 anstehenden Parlamentswahlen angewiesen, um die Wirtschaft zu beleben und einen Wahlsieg der nationalkonservativen PiS zu verhindern. Die erforderlichen Staatsanleihen, so der Minister, könnten von der NBP aufgekauft werden. Das Gesetz lässt das bisher nicht zu.

Der NBP-Chef zeigt sich in dem Gespräch offen. Sie könne nach einer Gesetzesänderung über staatlich kontrollierte Banken Staatspapiere aufkaufen, sagt Belka. Dann fällt die umstrittenste Äußerung: "Meine Bedingung ist die Entlassung des Finanzministers. Und dann machen wir das, was man machen muss."

Das Pikante dabei: Vier Monate später, im November 2013, entlässt Tusk tatsächlich seinen langjährigen Finanzminister Jacek Rostowski. Sein Nachfolger wird der bis dahin unbekannte, 38-jährige Bankanalyst Mateusz Szczurek. Ende Mai 2014 legt dieser einen Gesetzentwurf vor, laut dem die "Möglichkeit des Verkaufs und Kaufs von Schuldenpapieren durch die NBP auch außerhalb offener Marktoperationen" geschaffen werden soll. Im Klartext: Die NBP soll neue Staatsschulden finanzieren.

Die Veröffentlichung des Gesprächs hat in Polen ein politisches Erdbeben ausgelöst. "Jeder Tag des Bestehens der Regierung gefährdet die Sicherheit des Staates", erklärte der Chef der größten Oppositionspartei, PiS, Jaroslaw Kaczynski. Sowohl die nationalkonservative PiS (Recht und Gerechtigkeit) als auch das Bündnis der Demokratischen Linken (SLD) kündigten an, dass sie - falls Tusk nicht zurücktritt - an der kommenden Parlamentssitzung in der kommenden Woche ein Misstrauensvotum für das Kabinett beantragen werden.

Nach polnischem Recht kann eine Regierung praktisch nur gestürzt werden, wenn die Regierungsgegner zugleich einen neuen Ministerpräsidenten wählen, ein sogenanntes "konstruktives Misstrauensvotum". Ein derartiger Antrag müsste von 231 (von insgesamt 460) Abgeordneten - also nicht nur von der Opposition, sondern auch von der aktuell mitregierenden Bauernpartei PSL - unterstützt werden. Der Generalsekretär der SLD, Krzysztof Gawkowski, hatte jedoch die Verhandlungen mit der PiS ausgeschlossen. Unklar ist, wie sich in der politischen Krise die PSL verhalten wird. Der Vorstand der Partei wird erst über die Situation beraten. Die linksliberale "Deine Bewegung" (TR) fordert hingegen eine Parlamentsauflösung und verzogene Neuwahlen.

Rostowski selbst sprach am Dienstag im Rundfunksender RMF von einem "absurden Gespräch". Aufgenommen wurde es wohl vom Manager des VIP-Raumes des Restaurants.