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Ein AKH-Skandal jagt den nächsten

Von Stefan Melichar

Politik

"Abteilungsleitung soll unter der Hand vergeben werden." | Rektor Schütz will die Ausschreibung später nachholen. | Wien. Nach der Affäre um die Absetzung des Klinikchefs für Anästhesie und Intensivmedizin, Michael Zimpfer, kommt das Wiener Allgemeine Krankenhaus (AKH) nicht zur Ruhe. So mancher Spitzenmediziner sieht das Flaggschiff des österreichischen Gesundheitssystems in einem Sumpf aus Postenschacher und Intrigen untergehen.


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Zu allem Überdruss werden nun neue Vorwürfe laut: Der Rektor der Medizinischen Universität Wien (MUW), Wolfgang Schütz - der für das ärztliche Personal im AKH zuständig ist -, würde, so die Kritiker, wieder einmal eine hohe Leitungsfunktion ohne Ausschreibung vergeben.

1987 sind die damaligen Oberärzte Wolfgang Schütz, Christoph Zielinski und Eduard Auff sowie der Oberassistent Otto Scheiner und der Assistenzarzt Kenneth Thau neu zu Vertretern des akademischen Mittelbaus an der medizinischen Fakultät der Universität Wien gewählt worden. Sie hätten es sich wohl in ihren kühnsten Träumen nicht ausmalen können, welche Machtfülle sie jetzt, 20 Jahre später, auf die Waage bringen.

Stellvertreter bis 2009

Schütz war von 1996 an Dekan der Fakultät, seit deren Ausgliederung im Jahr 2004 ist er Rektor der aus der Fakultät hervorgegangenen MUW. Zielinski ist Leiter der Universitätsklinik für Innere Medizin am AKH und seit diesem Jahr Vizerektor für klinische Angelegenheiten. Auff leitet die - im Rahmen einer Neuorganisation nicht mehr in einzelne Abteilungen gegliederte - Universitätsklinik für Neurologie. Scheiner steht dem Zentrum für Physiologie und Pathophysiologie vor, das sechs Abteilungen und Institute umfasst, und war bis vor kurzem interimistisch mit den Agenden des Vizerektors für Forschung betraut.

Nun könnte Thau mit einem Karrieresprung an der Reihe sein. Der langjährige Stellvertreter des renommierten Psychiaters Heinz Katschnig als Abteilungsleiter für Sozialpsychiatrie an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie hat in seiner Abteilung im Moment alleine das Sagen. Geht es nach MUW-Rektor Schütz soll das vorerst auch so bleiben. Die Stelle des Abteilungsleiters, die mit Katschnigs Emeritierung im Oktober 2007 vakant geworden ist, wird erst ausgeschrieben, wenn ein bevorstehender Umbau der Klinik-Strukturen abgeschlossen ist. Außerdem wartet man ab, bis eine von der Neuorganisation betroffene Professorin 2009 in Pension geht. Bis dahin soll Thau - als Stellvertreter - die Abteilung leiten.

Schweres Erbe

Bei einigen Klinikern am AKH schrillen die Alarmglocken. Grundtenor: Thau verfüge weder über die nötige wissenschaftliche noch über die erforderliche verwaltungstechnische Qualifikation. Einzelne Kritiker sprechen sogar vom "Tod der Sozialpsychiatrie" - ein Bereich, der immerhin Themengebiete wie Verhaltenstherapie, Depressionen oder Suchtkrankheiten zum Gegenstand hat.

Tatsächlich scheint das Erbe Katschnigs - zumindest aus wissenschaftlicher Sicht - für Thau um einige Nummern zu groß: Brachte es Katschnig - gemäß den Leistungsberichten der Abteilung - von 1997 bis 2005 auf 131 Publikationen, kann sein Stellvertreter auf lediglich acht verweisen.

Der ärztliche Direktor des AKH, Reinhard Krepler, - der bei derartigen Postenbesetzungen kein Mitspracherecht hat - hält gegenüber der "Wiener Zeitung" einen solchen Vergleich für ungerecht. Katschnig sei eben ein Ausnahmewissenschafter. Er habe, so Krepler, keine Sorge, dass Thau der Aufgabe nicht gewachsen sein könnte. Gerüchte, wonach sowohl Krepler als auch Wiens Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely Schütz gebeten hätten, die Stelle bereits jetzt auszuschreiben, wollten weder der AKH-Chef noch die Politikerin bestätigen. Im Rathaus hieß es, die Stadt sei nur für das Pflegepersonal verantwortlich.

Neue Machtverhältnisse

Dass es an der Sozialpsychiatrie überhaupt zu einer Ausschreibung kommt, bezweifeln Kritiker des Rektors. Sie glauben, er möchte Thau als permanenten Leiter installieren, und unterstellen Schütz, politisch einer "Seilschaft" - in deren Zentrum unter anderem Zielinski, Auff und Scheiner - verpflichtet zu sein. Diese würde sich - ohne Ansehen der Leistung - wichtige Posten aufteilen. Der MUW-Chef hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Zielinski, Scheiner, Thau und Auff waren für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Die Vorgänge an der Sozialpsychiatrie erinnern ein wenig an die Art und Weise, wie vor rund einem Jahr die Machtverhältnisse an der Klinik für Neurologie neu geordnet worden sind. Nach der Emeritierung des Abteilungsleiters der größeren von zwei Abteilungen wurden diese zusammengelegt. Der Leiter der kleineren Abteilung, Eduard Auff, war zwar auch bereits Klinikchef, hat jedoch die andere Abteilung nun direkt übernommen und ist - mangels interner Konkurrenz - als Klinikleiter einzementiert. Auch damals hat Schütz den Verzicht auf eine Ausschreibung mit baldigen Strukturänderungen begründet. Diese sind seit Monaten abgeschlossen. Eine versprochene zweite Professur ist bis dato nicht ausgeschrieben worden. AKH-Chef Krepler bezweifelt, dass eine solche überhaupt eingerichtet werden soll.

Kampf mit allen Mitteln

Wie leistungsfeindlich das Klima an der MUW angeblich ist, demonstrieren laut Kritikern etwa die Vorgänge rund um die Habilitation des Psychiaters Stefan Frühwald. Während sonst gelegentlich Unklarheiten über die Gültigkeit von Habilitationsrichtlinien Probleme hervorrufen, ist hier davon die Rede, dass führende Mitglieder der MUW versucht hätten, Frühwald absichtlich in seinem Fortkommen zu behindern.

So soll ein Professor angestiftet worden sein, ein negatives Gutachten auszustellen, um Frühwald als künftigen Anwärter auf eine Professur in dessen Spezialgebiet auszuschalten. Lediglich ein äußerst positives externes Gutachten habe die Habilitation dennoch möglich gemacht.

Das Rektorat verweist darauf, dass es die Entscheidung einer 16-köpfigen Kommission gewesen sei, Frühwald zu habilitieren. An Manipulationsversuche wäre daher gar nicht zu denken gewesen. Dennoch hat Frühwald seinen Dienst am AKH schließlich quittiert und zeigt sich froh darüber, dass ihm heute "diese Seilschaften nicht den Mund verbieten können".

Insider bewerten den Abgang Frühwalds als wissenschaftlichen Verlust für das AKH. Nur zum Vergleich: In den Leistungsbilanzen von 1997 bis 2005 scheinen insgesamt 47 Publikationen des jungen Arztes auf.

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