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Ein Akteur von vielen

Von Martyna Czarnowska

Leitartikel
Martyna Czarnowska ist Redakteurin in der "Außenpolitik".
© Wiener Zeitung

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Lorbeeren sind damit keine zu verdienen. Wer das über den EU-Vorsitz eines Landes sagt, weiß, wovon er spricht. Wilhelm Molterer war Landwirtschaftsminister, als Österreich gerade einmal drei Jahre nach seinem Beitritt zur Europäischen Union die Präsidentschaft der Gemeinschaft übernahm. 1998 war das, und die Union hatte sich soeben auf 15 Mitglieder vergrößert. Die Fäden der Politik liefen für ein halbes Jahr in Wien zusammen. Doch, wie Molterer vor kurzem in einem Interview betonte, bedeutete die dort ausgeübte Funktion eben eher den Dienst an der Sache statt Möglichkeiten zum Lorbeeren Verdienen.

Ab 1. Juli hat Österreich zum dritten Mal für sechs Monate den EU-Vorsitz inne. Doch seit 1998 hat sich einiges in den Strukturen der EU verändert. Eine der Folgen ist, dass sich das Gewicht der Präsidentschaft eines Landes verringert hat. Das Rotationsprinzip ist zwar erhalten geblieben, doch wurde mittlerweile das Amt eines ständigen EU-Ratspräsidenten etabliert. Dieser ist es auch, der die höchstrangigen Treffen, die Gipfelsitzungen der EU-Staats- und Regierungschefs, leitet. Und zwar in Brüssel - und nicht wie früher im jeweiligen Vorsitzland. Verändert hat sich ebenfalls die Zusammensetzung der Union selbst: Sie zählt nun 28 Mitglieder. Das wird im kommenden Halbjahr auch so bleiben. Der EU-Austritt Großbritanniens steht erst an, wenn die Rumänen von den Österreichern die Präsidentschaft übernommen haben werden.

Freilich wird der Brexit auch für Wien auf der Agenda stehen, weil die Verhandlungen darüber in ihre Endphase gehen. Das zeigt auch gleich, worin eine der wesentlichen Aufgaben eines Vorsitzlandes besteht: laufende Debatten zu moderieren, die Meinungen aus 28 Staaten zusammenzuführen, an Kompromissen zu arbeiten. Insofern hat sich wenig verändert: Es geht um den Dienst an der Sache.

Dabei ist die Regierung des jeweiligen Staates ein Akteur von vielen, der bei der Ausübung seiner Tätigkeit auf die gut geölte Brüsseler EU-Maschinerie zurückgreifen kann. Trotzdem kann ein Land zusätzlich eigene Schwerpunkte setzen. Diese wird die österreichische Regierung am heutigen Mittwoch in Brüssel nach einem Ministertreffen präsentieren. Die Themen umfassen, wenig überraschend, den Schutz der EU-Außengrenzen, Digitalisierung und die EU-Anbindung der Westbalkan-Staaten.

Allerdings wird es in erster Linie ab Juli darum gehen, wie geschickt Österreich in den aktuellen Konfliktfeldern vermitteln, wie weit es zu einer Annäherung der unterschiedlichen Positionen beitragen kann. Nicht zuletzt daran wird der Erfolg einer Präsidentschaft gemessen. Da lassen sich dann unter Umständen doch noch ein paar Lorbeeren verdienen.