Labour-Regierung machte Finanzmarkt zum Goldesel und hinterlässt nun Schuldenberg. | Märkte erwarten, dass Konservative den striktesten Sparkurs fahren. | Wien. Großbritanniens Wirtschaft wartet dringend auf einen Sanierer: Das Budgetdefizit war im Vorjahr mit fast 12 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) ähnlich hoch wie das griechische. Mehrere Rating-Agenturen warnten bereits, das Vereinigte Königreich könnte als erste der großen Industrienationen sein Spitzen-Rating, das Triple A, verlieren.
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Je länger keine neue Regierung im Amt ist, desto schneller könnten Investoren in Panik ausbrechen und das Pfund sowie britische Staatsanleihen scheuen, befürchten Ökonomen. Auch eine politisch labile Minderheitsregierung, der das Mandat für ein starkes Sparprogramm fehlt, kommt bei den Märkten nicht gut an.
Auf dem Wunschzettel der Wirtschaft steht daher eine Politführung mit einer klaren Mehrheit, was für eine Koalition aus den Konservativen von David Cameron und den Liberaldemokraten spricht. Aus Sicht von Analysten haben sich die Tories im Wahlkampf am deutlichsten für einen raschen und aggressiven Defizitabbau ausgesprochen - freilich ohne, so wie die anderen Parteien auch, konkrete Sparvorhaben zu nennen. Auch die Liberaldemokraten stehen nicht für eine wirtschaftsunfreundliche Politik - ihr Fokus liegt derzeit allerdings mehr auf einer Reform des Wahlrechts als auf der Schuldenbekämpfung.
Wachstum auf Pump
Großbritannien erlebte 2009 die schwerste Rezession seit den 50er Jahren. Das Wachstum fiel in den ersten drei Monaten dieses Jahres mit 0,2 Prozent niedriger als erwartet aus.
Die Insel zahlt den hohen Preis für 13 Jahre Labour-Regierung, ist dieser Tage häufig von Ökonomen zu hören: Die britische Staatsverschuldung stieg von 49 Prozent des BIP im Jahr 1997 auf mehr als 78 Prozent in diesem Jahr. Über fast ein Jahrzehnt wurde mit vollen Händen ausgegeben, was der Staat an Steuern einnahm. Er baute Schulen, Straßen, pumpte Milliarden in das defizitäre Gesundheitssystem und in die Kriege in Afghanistan und im Irak. Dank einer starken Deregulierung wuchs die Wirtschaft unter Labour 44 Quartale in Folge - bis zum Krisenjahr 2007.
Der vom Duo Tony Blair und Gordon Brown angepeilte Strukturwandel wurde vom Erfolgsrezept zum Bumerang: Statt der produzierenden Industrie (der Anteil sank innerhalb von zehn Jahren von 20 auf 12 Prozent des BIP) hatte die Politik jahrelang den Finanzmarkt (mit einem 30-prozentigen BIP-Anteil) gefördert.
Was jedoch unbeachtet blieb: 2007 waren die britischen Arbeitnehmer durchschnittlich mit 140 Prozent ihres Jahreseinkommens verschuldet. Alles finanzierten sie auf Pump: Autos, Urlaube und vor allem Häuser. Die Regierung schaute zu, während Millionen von Briten sich ohne jedes Eigenkapital Hypotheken andrehen ließen. Dass sich über die Jahre eine gefährliche Immobilienblase bildete, ignorierte Labour ebenso. Während vor der Finanzkrise mehr als jedes vierte Pfund der britischen Steuereinnahmen von Banken, Hedgefonds und Private-Equity-Firmen kamen, war es zuletzt der Staat, der Zuschüsse leisten musste: Die Abermilliarden, mit denen die britischen Banken von Browns Regierung gerettet werden mussten, engen nun den Spielraum der Nachfolger ein.