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Immerhin, ein Gutes hat die neu aufgeflammte Debatte um Fluch und Segen der Vorratsdatenspeicherung: Sie zeigt, dass die Spezies der Staatsskeptiker noch nicht ganz ausgestorben ist. Ansonsten sind sich die Linken und die Rechten mit der Mitte ziemlich einig, dass dem Staat die Kompetenz zukommt, für alle Probleme unserer Zeit Lösungen zu beschaffen. Sogar die Abschaffung des Bankgeheimnisses zwecks Verfolgung von Steuersündern wird ja rundum als Meilenstein auf dem Weg hin zu einer besseren Gesellschaft gewertet.
Anders als beim Geld ist das grundrechtliche Sensorium für die Grenzen staatlicher Eingriffsmöglichkeiten bei der Speicherung von Verbindungsdaten noch sehr lebendig. Das ist logisch nicht ganz konsequent, aber immer noch besser, als wenn jeder staatliche Kontrollwunsch einfach durchgewunken wird.
In der Debatte selbst bestimmt der Standort gnadenlos den Standpunkt. Vertreter der Sicherheits- und Justizbehörden beteuern die Notwendigkeit einer zwar beschränkten, aber eben doch umfassenden Speicherung von Verbindungsdaten. Nicht, wie früher oft betont - und was heute widerlegt ist -, um Terroranschläge zu verhindern, sondern um sie wenigstens im Nachhinein aufklären zu können. Für die Gegner ist dieses Ansinnen ein grundrechtlicher Tabubruch, ein Schritt in eine Orwell’sche Dystopie.
Ein Kompromiss zwischen Grundrechtsschützern und Strafverfolgern ist möglich, das haben gleich drei Höchstgerichte - das europäische, das deutsche und das österreichische - geurteilt, als sie der entsprechenden EU-Verordnung den Garaus bereiteten. Ob das auch in der politischen Praxis gelingt, muss sich zeigen. Deutschland hat einen Anlauf gestartet, in Österreich wartet man vorerst ab, ob es neue Vorgaben aus Brüssel gibt. Vorerst ist das nicht der Fall.
So oder so: Unsere Reise in die immer umfassendere digitale Transparenz hat längst begonnen und lässt sich wohl nicht mehr aufhalten. An der staatlichen Macht wird es deshalb liegen, Missbrauch so weit möglich zu unterbinden. Für Liberale alter Schule kommt es einem Alptraum gleich, aber der Staat ist wahrscheinlich der Einzige, der speichert, um damit neben Sicherheit auch Freiheit zu gewährleisten. Aufgabe der Bürger wird es sein, dafür zu sorgen, dass die Akteure staatlicher Gewalt das nicht vergessen. Unbehagen bleibt, aber es fehlen Alternativen.