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Über das höchste Amt im Staat ist in den letzten Monaten und Jahren viel geschrieben worden. Mehr als nur einmal wurde dabei auch seine Sinnhaftigkeit in Frage gestellt. Mit der Wahl Heinz Fischers zum neuen Bundespräsidenten ist dieser Diskussion ein Ende bereitet. Für den Wiener Verfassungsrechtler Manfried Welan steht fest, dass sich mit dem Amtsantritt | Fischers auch das Amt nachhaltig verändern wird.
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Dafür wird allein schon der Umstand sorgen, dass ab dem 8. Juli, dem Tag der Amtsübergabe, Bundesregierung und Bundespräsident von verschiedenen Parteien gestellt werden.
Gegen Parteien gerichtet, aber von diesen gemacht
Ursprünglich stand hinter dem Amt des Bundespräsidenten in der österreichischen Verfassung die Idee eines Gegengewichts zu Parteien und Regierung. Die politische Praxis hat jedoch dazu geführt, dass sich dieses Konzept in sein Gegenteil verkehrt hat. Dennoch, ist Welan überzeugt, bleibt das Amt eine "politische Versuchsstation", die jedoch - obwohl gegen die Parteien gerichtet - von den Parteien bestimmt wird. Schließlich werden sich die Gewichte allein schon dadurch verschieben, dass mit Fischer nun erstmals seit langem kein Diplomat, sondern ein "gestandener Innenpolitiker", der die Akteure genauso gut wie die Möglichkeiten des Amtes kennt, in der Hofburg residiert.
Spannend werde es vor allem im Fall eines Regierungswechsels werden, prognostiziert Welan: Gut möglich, dass im Falle eines SPÖ-Kanzlers nach den nächsten Nationalratswahlen die Hofburg massiv an Gewicht zulegen könnte, gilt Fischer, der bis zu seiner Kandidatur lange Zeit stellvertretender Parteivorsitzender war, als Schwergewicht in der SPÖ. Für diesen Fall könnte sich Welan Fischer durchaus in der Rolle eines "Sonnenkönigs in der Hofburg" vorstellen.
Vom schlafenden zum vollinvaliden Riesen
Aus heutiger Sicht handelt es sich bei einem solchen Szenario lediglich um reine Spekulation. In der derzeitigen politischen Realität hat sich der von der Verfassung für Krisenzeiten mit weitreichenden Machtbefugnissen ausgestattete "schlafende Riese Bundespräsident" im Laufe der Zeit jedenfalls zu einem "bedauernswerten vollinvaliden Riesen" entwickelt.
Die Regierung als "Herr zweier Diener"
Die wahre Macht liegt in Österreich bei der Bundesregierung. "Man kann hier alle Wahlen, sogar die Nationalratswahlen verlieren, nur nicht das Rennen um die Regierungsbildung", bringt der Verfassungrechtler die wirklich entscheidende Machtfrage in Österreich auf den Punkt.
Tatsächlich hat sich die Bundesregierung zum "Herr zweier Diener" empor geschwungen, obwohl sie doch eigentlich der "Diener zweier Herren", in diesem Fall dem Parlament als Volksvertretung und dem Bundespräsident als direkt gewähltem Staatsoberhaupt untertan sein sollte. Diese Umkehrung der Machtverhältnisse hat sich auch im allgemeinen Sprachgebrauch schon durchgesetzt, sprechen doch auch die Medien in der Regel davon, dass der Präsident den Bundeskanzler "angelobt", obwohl ihm doch eigentlich die "Ernennung" zustehen würde. Die Vorkommnisse des Jahres 2000 haben jedoch gezeigt, dass hier am längeren Hebel sitzt, wer über die Mehrheit im Parlament verfügt.
Spannend wird es allerdings bei der Angelobung Fischers. Dann wird nämlich Bundeskanzler Schüssel dem neuen Bundespräsidenten - "aus Höflichkeit", wie Welan betont - seinen Rücktritt anbieten. Da es sich dabei jedoch nur um ein demokratiepolisches Ritual handelt, wird Fischer von diesem Angebot - zumindest nach derzeitigem menschlichen Ermessen - keinen Gebrauch machen.