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Ein Annäherungsversuch nach Programm

Von Gerhard Lechner

Politik

Der russische Präsident lobt bei seinem Besuch die gute Gesprächsbasis und die wirtschaftliche Zusammenarbeit.


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Wien. Seinem Image als notorisch unpünktlicher Politiker blieb Wladimir Putin auch in Wien treu: Verspätet landete die Maschine mit dem russischen Präsidenten an Bord am Flughafen Schwechat, und auch die Journalisten, die an der Pressekonferenz Putins mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen teilnahmen, mussten sich in der drückenden, schwülen Hitze am Dienstag in der Hofburg rund eine halbe Stunde gedulden.

Dann ging die Tür auf, und er war da: Mit dem bei Putin nicht gerade unüblichen sachlich-unbewegten Gesichtsausdruck spulte der Kreml-Chef, der vom "Forbes"-Magazin mehrfach zum mächtigsten Mann der Welt gekürt worden war, die Pressekonferenz mit seinem österreichischen Amtskollegen ab. Er betonte die Rolle Österreichs als Schlüsselland für Gasexport, lobte die wirtschaftliche Zusammenarbeit und zeigte sich mit der Arbeit der gemeinsamen österreichisch-russischen Historikerkommission zufrieden, die Versuchen, Geschichte zu verzerren, entgegenwirke.

Van der Bellen verzichtete in seinem Statement auf Unfreundlichkeiten Richtung Putin und betonte im Gegenteil die familiären Wurzeln, die ihn mit Russland verbänden. Dass Österreichs Präsident erklärte, Wien werde in der Frage der Sanktionen gegen Russland im Einklang mit der EU handeln, dürfte Putin nicht sonderlich schockiert haben. Die Sanktionen seien schädlich für alle, "sie hindern Russland aber nicht daran, die Beziehungen zu Österreich zu entwickeln", erklärte der Kreml-Chef. Überraschend war vielleicht, dass Van der Bellen ankündigte, dass eine gemeinsame Plattform mit Russland für zivilgesellschaftlichen Dialog eingerichtet werde. Van der Bellen sagte auch, dass er "keine grundsätzliche Vertrauenskrise" mit Russland sehe. "Glaubwürdigkeitsfragen treten in der Politik immer wieder auf."

Mit einer Spitze gegen die Politik der USA bekannte sich Van der Bellen außerdem zur Energiepartnerschaft mit Russland: "In letzter Zeit gibt es Vorhalte mancher US-Politiker, dass die Abhängigkeit der EU in dieser Beziehung von Russland zu groß ist. Es wird dabei übersehen, dass der Preis für amerikanisches Flüssiggas zwei- oder dreimal höher ist." Aus ökonomischer Sicht mache ein Wechsel des Gaslieferanten "wenig Sinn".

"Supermacht" Russland

Neben der Unterredung mit Van der Bellen traf Putin noch Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache. Was Kurz in seinem Statement nach dem Gespräch von sich gab, dürfte dem Kreml-Chef geschmeichelt haben: Der Kanzler bezeichnete Russland als "Supermacht" - ein Terminus, der auf die untergegangene UdSSR angewendet worden war. Ex-US-Präsident Barack Obama hatte Putin einst mit der Bemerkung gekränkt, dass Russland nur eine "Regionalmacht"sei.

Auch Kurz betonte, dass Österreich EU-Entscheidungen wie die Sanktionen gegen Russland "selbstverständlich" mittrage. Gleichzeitig hoffe man in Wien aber darauf, die Sanktionen "Zug um Zug abbauen" zu können.

Putin verwies auf die erfolgreichen wirtschaftlichen Beziehungen, wie die Vertragsverlängerung für Erdgaslieferungen bis 2040, die von Gazprom-Chef Alexej Miller und OMV-Chef Rainer Seele im Beisein von Putin und Kurz unterzeichnet wurde.

Zu Syrien meinte Putin: Wenn Europa wolle, dass "der Migrantenstrom aus der Region reduziert wird, muss es dazu beitragen, dass die Menschen in ihre Häuser zurückkehren können und sie ein normales Leben in ihrem eigenen Land führen können."

Wiener Flexibilität

Durch die rüde Politik von US-Präsident Donald Trump gegenüber Europa hat die Wirtschafts-Visite des russischen Präsidenten eine stark politische Dimension bekommen. Der Putin-Besuch in Österreich sei vor diesem Hintergrund ein "Signal" in Richtung Europa, sagte der ehemalige österreichische Botschafter in Moskau, Emil Brix, im Gespräch mit Journalisten. Dass Putin für sein Zeichen an Europa ausgerechnet Österreich wählt, hat Gründe. So hat sich etwa Wien im Gegensatz zur Mehrheit der EU-Staaten an der Ausweisung russischer Diplomaten in der Giftaffäre um den russischen Doppelagenten Sergej Skripal nicht beteiligt. Als 2014 die Krise zwischen West und Ost im Zuge des Ukraine-Kriegs auf dem Höhepunkt war, war es Österreich, das Putin einen viel diskutierten Besuch ermöglichte.

Diese für manche allzu flexible Politik steht in einer gewissen Tradition: "Österreich hat in den Jahren seit dem Zerfall der Sowjetunion den Respekt vor der Großmacht Russland nie aufgegeben", analysiert Brix. Das sei dem Kreml wichtig, denn: "In Russland denkt man immer noch stark in Einflusssphären." Dass Österreich sich immer um gute Kontakte nach Moskau bemüht habe und Russland respektiere, habe man dort positiv vermerkt. "Außerdem hält Russland Österreich in der Europäischen Union für einen interessanten Player", meint Brix: Ein neutrales Nicht-Nato-Land, das mit seiner tradierten Brückenfunktion zwischen West und Ost durchaus etwas bewirken könne. Das wurde beim Putin-Besuch auch deutlich. Denn es war nicht nur der russische Präsident, der nach Wien gekommen ist. Am Montagabend schon hatte die OMV-Spitze das 50-Jahr-Jubiläum des Liefervertrags unter anderem mit Gazprom-Chef Miller bei einem Galadiner gefeiert. Außerdem kamen auch etliche russische Minister nach Wien, unter anderem Außenminister Sergej Lawrow. Das zeigt, dass es Russland nicht egal ist, wie sein Verhältnis zu Europa aussieht.

Russland braucht Know-how

In den vergangenen Jahren seit der Ukraine-Krise schien es gelegentlich so, als würde sich der Kreml gänzlich von Europa ab- und China zuwenden. Die EU als Ganzes ist allerdings immer noch der wichtigste Wirtschaftspartner Russlands - trotz des Umstands, dass sich etwa das österreichisch-russische Außenhandelsvolumen nach der Ukraine-Krise 2014 um die Hälfte reduziert habe, wie Michael Otter, der Chef der Außenwirtschaft der Wirtschaftskammer (WKO), im Gespräch mit Journalisten betont. Die Sanktionen, aber auch der Verfall des Rubels oder die generell schwache Konjunktur Russlands aufgrund niedriger Rohstoffpreise hätten zu der schwierigen Lage geführt. Mittlerweile hat sich die Situation aber verbessert: 2017 wurde erstmals wieder ein Plus verzeichnet, die Exporte seien um 16,1 Prozent gestiegen, ebenso die Importe. Der für Österreich wichtige Tourismus russischer Gäste hat um 25 Prozent zugelegt. Vor allem aber braucht Russland europäisches Know-how zur Modernisierung seiner Wirtschaft. "Wenn Putin in seiner dritten Amtszeit noch etwas erreichen will, dann mit Europa", analysiert Brix.

Vertrauenskrise im Osten

Einer substanziellen Verbesserung des Verhältnisses zwischen Brüssel und Moskau stehen allerdings gleich mehrere Hindernisse im Weg. Zum einen die Ukraine-Krise, die nach wie vor von einer Lösung weit entfernt ist. Die Präsidentenwahlen in der Ukraine im kommenden Jahr werden in Kiew die Lust auf Kompromisse, die als Verrat gewertet würden, besonders schmälern. Ein Einknicken im Konflikt mit dem Westen könnte sich aber auch Putin nicht erlauben. Das Maximum, was man erreichen kann, sei "friedliche Koexistenz" mit verbesserter wirtschaftlicher Kooperation, sagt Brix. Und im Sicherheitsbereich "ein neues Vertrauensverhältnis, das Russland miteinschließt".

Von so einem Vertrauensverhältnis ist man in Europa derzeit weit entfernt. Besonders Anrainerstaaten wie Polen und die baltischen Länder fürchten die Pranke des russischen Bären und fordern gegen die Bedrohung aus dem Osten bewaffnete US-Unterstützung an. Eine wirkliche Verbesserung des Verhältnisses zu Russland sei nur mit der Mitwirkung dieser Länder möglich, sagte Brix. Hier könnte Österreich als Fürsprecher wirken.