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Ein Anschlag erschüttert Jakarta

Von Ines Scholz

Politik

Indonesien im Würgegriff des Terrors: Bei dem schwersten Bombenattentat seit den Anschlägen von Bali vor knapp zehn Monaten sind in dem Luxushotel Marriott in der Hauptstadt Jakarta mindestens 14 Menschen getötet worden. Weitere 150 Menschen wurden am Dienstag verletzt, viele von ihnen schwer. Vor dem Hotel brannten zahlreiche Autos ab, aus der Hotel-Lounge und mehreren Stockwerken des Gebäudes quollen dicke Rauchwolken.


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Indonesiens Sicherheitsminister Susilo Bambang Yudhoyono sprach von einem "terroristischen Akt". Der indonesische Vizepräsident Hamzah Haz vermutet, dass der Anschlag US-Interessen gegolten habe. Das zu einer amerikanischen Hotelkette gehörende Marriott wurde von der US-Botschaft häufig für Empfänge genutzt, hier wurde am 4. Juli auch der Nationalfeiertag begangen. Präsidentin Megawati Sukarnoputri, die erst vor einigen Tagen die Zerschlagung terroristisicher Gruppen in Indonesien gefordert hatte, eilte zum Unglücksort.

Zunächst bekannte sich niemand zu der Bluttat. Ein Selbstmordanschlag wird nicht ausgeschlossen. Ein Lastwagen vor dem Hotel-Komplex könnte laut Polizeichef Da'i Bachtiar als Autobombe gedient haben. Der Wagen soll dort vor der Detonation geparkt haben. Er brannte völlig aus. Der Gouverneur von Jakarta sagte im Rundfunk, möglicherweise seien die Sprengsätze von einem Selbstmordattentäter gezündet worden. Beweise dafür hatte er aber zunächst nicht. Nach ersten Ermittlungen der Polizei wurde ein hochexplosiver Sprengstoff verwendet, der in einem Umkreis von 200 Metern Schäden anrichtete.

Verkohlte Leichen und brennende Hotelgäste

Unmittelbar nach den Explosionen bot sich ein Bild völliger Verwüstung, zahlreiche Menschen flohen in Panik. Die Fassade des Hotels, das inmitten eines Geschäftsviertels liegt, war rußgeschwärzt, bis in die oberen Stockwerke hinauf waren die Fensterscheiben geborsten. Die Lobby, das Restaurant und fünf Stockwerke des Hotels wurden völlig zerstört. Mehrere Fahrzeuge vor dem Eingang fingen Feuer, insgesamt wurden mindestens 22 Autos vor dem Hoteleingang durch die Wucht der Bomben beschädigt. Auch an benachbarten Gebäuden entstand größerer Sachschaden.

Vor dem Hotel bedeckten Glassplitter und Blutlachen die Straße, nachdem in den Mittagsstunden die gewaltige Explosion zu hören war. "Die Leute haben geschrien, sie waren in Panik", berichtet ein indonesischer Augenzeuge. "Ich dachte, es wäre ein Erdbeben." Viele rannten aus dem Hotel, einige Menschen sollen gebrannt haben. Nach wenigen Minuten waren die ersten Rettungsfahrzeuge vor Ort. Verkohlte Leichen lagen herum; die Schwerverletzten wurden vor Ort notbehandelt, die, die sich retten konnten, standen unter Schock.

Die meisten Toten sind Indonesier. Unter den Opfern befinden sich aber auch zahlreiche Ausländer, darunter ein Amerikaner, zwei Singapuresen, zwei Chinesen, ein Australier ein Däne und ein Niederländer, wie BBC berichtete. Beim Niederländer handle es sich um den Präsidenten der PT Rabobank Duta Indonesia. Tödlich getroffen wurden nach Angaben eines Augenzeugen auch mehrere Sicherheitsleute, die vor dem Marriott und den benachbarten Bürogebäuden Wache standen. Die Mitarbeiter von vier skandinavischen Botschaften im Nachbarhaus blieben indes unverletzt, die schwedische Vertretung ist leicht beschädigt.

Indonesiens Metropole wird immer wieder Ziel von Anschlägen militanter Islamistengruppen. Erst vor knapp drei Wochen war das indonesische Parlament von einer Bombenexplosion erschüttert worden, im Februar das Polizeihauptquartier in Jakarta. Ende April waren im Abstand von nur drei Tagen zuerst die Vertretung der Vereinten Nationen in der Hauptstadt und anschließend der Flughafen Ziel von kleineren Sprengstoffanschlägen geworden.

Das größte und blutigste Attentat in der Geschichte Indonesiens hatte sich aber am 12. Oktober 2002 auf der Ferieninsel Bali ereignet. Bei dem Doppelanschlag auf zwei Touristenbars waren insgesamt 202 Menschen getötet worden, die meisten waren Urlauber aus dem nahe gelegenen Australien. Hinter dem Anschlag dürfte die Organisation Jemaah Islamiyah des greisen Abu Bakar Bashir stehen, der Kontakte zur El-Kaida von Osama bin Laden nachgesagt werden.

Auch die jüngste Terrorattacke scheint aller Voraussicht nach auf ihr Konto zu gehen. Keine andere Islamistengruppe habe das Know-How, die Technik und die Logistik, eine solche Aktion durchzuführen, meinen Beobachter. Motiv für den gestrigen Anschlag gäbe es jedenfalls: Morgen soll das erste Urteil in den Prozessen um den Bombenanschlag von Bali verkündet werden. Dem Hauptverdächtigen, Amrozi bin Nurhasim, droht die Todesstrafe. Ein Schuldspruch gilt bereits als sichere Sache.

Gegen den zweiten wichtigen Angeklagten, Imam Samudra, hatte die Staatsanwaltschaft Ende Juli ebenfalls die Hinrichtung beantragt. Der 33-Jährige wird beschuldigt, Hauptplaner des Bali-Anschlags gewesen zu sein. Er hat seine Mittäterschaft bereits zugegeben. "Allah ist groß! Der Islam wird gewinnen", rief er im Gerichtssaal. Die Prozess gegen zwei weitere Angeklagte, Mukhlas und Ali Imron, sollen noch in dieser Woche fortgesetzt werden.