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Ein Anwalt für die Transsib

Von Bernd Vasari

Politik

Wiener Wirtschaftskammer sieht gute Chancen für Transsibirische Eisenbahn nach Wien. Um einen Ausbau nicht zu gefährden, fordert die Kammer einen Standortanwalt in Umweltschutz-Verfahren. Umweltorganisationen sind dagegen.


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Wien. Nach jahrelangen Diskussionen hinter verschlossenen Türen wagt man sich nun zunehmend in die Öffentlichkeit. Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) postete zuletzt auf Facebook: "Eine direkte Bahnverbindung von Österreich nach China, das wär’ was. Bei der internationalen Konferenz in Venedig habe ich mich für den Bau der Chinesischen Seidenstraße ausgesprochen." Es geht um die Anbindung der Bundeshauptstadt an die transsibirische Breitspurbahn. Sie würde über Moskau, Kiew und Bratislava bis vor die Grenzen von Wien führen.

Ausgebaut werden müssen dafür die letzten 400 Kilometer. Der etwa 90 Fußballfelder große Endterminal soll in Österreich sein. Finanzielle Hilfe für die Umsetzung des neun Milliarden Euro schweren Projekts soll vor allem von Russland kommen. Konkrete Pläne für eine Umsetzung gibt es aber noch nicht.

Ganz im Gegensatz zu China, wo der Ausbau der Breitspurbahn unter dem Projektnamen "Seidenstraße" bereits vorangetrieben wird. Zwei Achsen in Richtung Westen sind vorgesehen. Die eine soll nach Istanbul führen, die zweite über Moskau nach Hamburg, Rotterdam und Madrid. Wien spielt in den Plänen aber vorerst keine Rolle.

Alexander Biach war bei der Präsentation in Hongkong anwesend. Der stellvertretende Direktor der Wiener Wirtschaftskammer zeigt sich zuversichtlich: "Wir haben eine gute Chance, in der Mitte mitzufahren." Allerdings müsste Österreich sein Anliegen in Russland nochmals klarer deponieren. "Sollte Russland grünes Licht für den Ausbau geben, kann es sehr schnell gehen", erklärt Biach. Das Zeitfenster für eine Entscheidung auf österreichischer Seite könnte dann aber nicht sehr groß sein.

Er fordert daher: "Wir müssen fit werden für die Seidenstraße." Vor allem die Genehmigungsverfahren nach dem Naturschutzrecht, der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), müsste dafür reformiert werden. "Ein Projekt in der Größe der Transsibirischen Eisenbahn darf nicht wegen des Genehmigungsverfahrens scheitern", sagt Biach. Es müsse in dem Verfahren daher verstärkt auf wirtschaftliche Interessen Rücksicht genommen werden.

"Es geht um juristischeWaffengleichheit"

Derzeit würden diese in den Verfahren jedoch auf die Umweltschutzinteressen verkürzt werden. Der Antragsteller stehe daher nicht nur der zumeist kritischen Öffentlichkeit und der Naturschutzbehörde mit ihren amtlichen Sachverständigen gegenüber, sondern auch einer "Phalanx an beamteten und privaten Einrichtungen, die sich primär dem Umweltschutz verpflichtet fühlen", sagt Biach.

Er kann sich zwei Varianten vorstellen, um diese "Schieflage", wie er sagt, zu beheben.

So fordert er einen Standortanwalt, der auch die öffentlichen Belange, die für ein Projekt sprechen, als unabhängige Stelle vertritt. Darunter etwa Wertschöpfung, Steuereinnahmen und Arbeitsplätze. Die Errichtung der Standortanwaltschaft sollte auf Bundesebene angesiedelt werden. Denkbar wäre die Beauftragung eines "ausgelagerten Rechtsträgers", beispielsweise der Austrian Business Agency (ABA), eine Ansiedelungsagentur des Bundes, die an das Wirtschaftsministerium berichtet. Die Agentur betreut ausländische Unternehmen, die sich in Österreich niederlassen wollen.

Alternativ zur Schaffung einer neuen Standortanwaltschaft könnte auch der gesetzliche Auftrag der Wiener Umweltanwaltschaft im Wiener Umweltschutzgesetz auf die Wahrnehmung der Standortinteressen ausgedehnt werden. "Es geht um juristische Waffengleichheit zwischen Projektbewerber und Umweltschutzvertretern", sagt Biach.

Keine Unterstützung für die Vorschläge darf sich die Wirtschaftskammer von den Umweltschutzorganisationen erhoffen. "Der Umweltschutz muss bei einem Umweltverträglichkeitsverfahren im Mittelpunkt stehen. Was der Vorschlag der Wirtschaftskammer daran verbessern soll, ist nicht nachvollziehbar", sagt etwa Wolfgang Rehm von der NGO Virus. "Wir halten das für destruktive Polemik der Wirtschaftskammer, die das Umweltschutzniveau und die UVP in Misskredit ziehen wollen."

"Ablenkung durchdie Wirtschaftskammer"

Er ortet zudem eine Ablenkung durch die Wirtschaftskammer von "den rechtswidrigen Wünschen", die im aktuellen Entwurf des UVP-Gesetzes verankert worden sind. Der begutachtete Entwurf soll dem Parlament noch im November vorgelegt werden.

Weiters verweist Rehm darauf, dass die Verfahrensdauer oftmals in die Länge gezogen werde, da die Projekte, die eingereicht werden, oftmals grob mangelhaft und unvollständig seien.

Auch bei Ökobüro, Dachverband von 16 österreichischen Umweltorganisationen, kann man dem Vorschlag der Wirtschaftskammer nichts abgewinnen.

"Gerade die ÖBB, die eine Anbindung der Transsibirischen Eisenbahn begleiten könnten, haben mit dem Hauptbahnhof ein Paradebeispiel abgeliefert, wie man ein UVP-Verfahren flott und mit Einbindung aller Interessen abwickelt", sagt Ökobüro-Sprecher Thomas Mördinger. Beim Ausbau des Marchegger Astes nach Bratislava sei ebenso gewesen. "NGOs wurden von Anfang an ins Boot geholt und es wurde ein Konzept entwickelt, wie betroffene Vögel bestmöglichst geschützt werden. Innerhalb eines Jahres war das Verfahren durch."

Ob mit oder ohne Standortanwalt, die Verlängerung der Breitspurbahn nach Österreich hängt vor allem vom Wohlwollen Russlands ab, das eine große Menge des benötigten Geldes beisteuern soll. Sein Anliegen könnte Österreich sehr bald kommunizieren. Am 9. November wird der russische Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Alexei Ulyukayev, einen Vortrag über die aktuelle Wirtschaftslage in Russland bei einem Forum in der Wirtschaftskammer Österreich halten.