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Ein Armutszeugnis

Von Konrad Paul Liessmann

Gastkommentare
Der Autor ist ein österreichischer Philosoph, Essayist und Kulturpublizist. Er ist Universitätsprofessor für "Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik" an der Universität Wien.
© Heribert Corn

Die Regierung wird die "Wiener Zeitung" einstellen beziehungsweise einen langsamen Tod sterben lassen.


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Fake News, technisch perfekte Fälschungen, Verschwörungstheorien, Propagandavideos aller Art, ideologisch motivierte Attacken auf die Meinungsfreiheit, politische Lügen am laufenden Band: Angesichts dieser Befunde wird der Ruf nach Medien, die einen Objektivitätsanspruch mit gründlicher Recherche und einer offenen Debattenkultur verbinden können, immer lauter.

Die Republik Österreich, die ja immerhin auch einen Bildungsauftrag zu erfüllen hat, ist mit der "Wiener Zeitung" selbst im Besitz solch eines Mediums. Die 1703 gegründete und damit älteste noch existierende Tageszeitung der Welt verkörpert durch ihre wechselhafte Geschichte den Kampf um Freiheit und Aufklärung, um Seriosität und Verlässlichkeit.

Es wäre ein Gebot der Stunde gewesen, die Notwendigkeit, für dieses Organ ein neues Finanzierungsmodell zu suchen, mit dem Anspruch zu verbinden, diese große und einmalige Tradition zu nutzen, um einen unabhängigen und kritischen Qualitätsjournalismus zu fördern und zu forcieren, der die konventionelle Erscheinungsweise als gedruckte Zeitung mit den Möglichkeiten der digitalen Präsenz verbindet. Es hätte eines der Leuchtturmprojekte sein können, von denen ansonsten so gerne schwadroniert wird.

Tatsächlich wird die Regierung diese Zeitung einstellen beziehungsweise einen langsamen Tod sterben lassen. Alle klugen Argumente und Proteste haben nichts gefruchtet. Ohne Gespür für die Erfordernisse der Zeit, ohne Sinn für die Rahmenbedingungen einer demokratischen Öffentlichkeit, ohne Ahnung davon, welche Gefahren von einer Devastierung der Medienlandschaft für die Demokratie ausgehen, herrschen Kleingeisterei, Borniertheit und kindischer Trotz. Ein Armutszeugnis.