Hisbollah soll hinter Anschlag im bulgarischen Burgas stehen - Beweise fehlen.
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Sofia. Wenn am Flughafen Sarafovo bei Burgas am heutigen 18. Juli um 17.23 Uhr, auf die Minute genau ein Jahr nach dem Bombenattentat, ein aus sechs Steinstelen komponiertes Mahnmal eingeweiht wird, können die anwesenden Angehörigen der damals getöteten fünf israelischen Touristen und des bulgarischen Busfahrers den Trost des Gedenkens empfinden. Die Genugtuung, die Schuldigen des Verbrechens überführt und zur Rechenschaft gezogen zu sehen, bleibt ihnen vorenthalten. Und nichts deutet darauf hin, dass sich dies bald ändern könnte, denn die Ermittlungen zum Attentat scheinen wenig erfolgreich, geprägt von immer neuen Widersprüchen und Versuchen politischer Einflussnahme.
Es hatte nach der Explosion nur Minuten gedauert, bis der israelische Regierungschef Benjamin Netanyahu die dem Iran nahestehende, libanesische Schiitenorganisation Hisbollah dafür verantwortlich machte. Auch die Regierung der USA zeigte sich bald von deren Schuld überzeugt und forderte die Europäische Union auf, Hisbollah auf die Liste der Terrororganisationen zu setzen. Die damals noch von Ministerpräsident Boiko Borissov geführte bulgarische Regierung sträubte sich hingegen lange gegen eine Schuldzuweisung, ohne klare Beweise wollte sie "auf niemanden mit dem Finger zeigen". Als aber der damalige Innenminister Tsvetan Tsvetano am 5. Februar 2013 die "begründete Annahme" kundtat, Hisbollah stecke hinter der Sprengung eines Reisebusses mit israelischen Touristen, erregte er in Bulgarien massive Kritik, schienen doch die von ihm präsentierten Indizien alles andere zu sein als "klare Beweise".
Wenig Indizien
"Die Ermittlungen sind sehr weit fortgeschritten", hat die zuständige Staatsanwältin Kalina Tschapkanova nun anlässlich des Jahrestags gesagt und hinzugefügt, gegenwärtig würden die Aussagen der israelischen, beim Attentat zum Teil schwer verletzten Augenzeugen ins Bulgarische übersetzt. Nach dem Anschlag waren sie von israelischen Behörden nach Israel überführt worden, ohne dass die bulgarischen Ermittler sie zu ihren Beobachtungen hätten befragen können. Bis heute ist die Identität des bei der Explosion ums Leben gekommenen mutmaßlichen Attentäters unbekannt. Der bei ihm gefundene, auf den Namen Jacque Felipe Martin ausgestellte Führerschein erwies sich als ebenso gefälscht wie aufgetauchte Dokumente seiner zwei vermeintlichen Komplizen, die die Alias-Namen Ralph William Rico und Brian Jameson getragen haben sollen.
Obwohl Bulgariens Innenminister Tsvetanov Anfang Februar erklärte, "Rico" und "Jameson" seien kanadischer und australischer Nationalität und hielten sich im Libanon auf, ist bisher nichts darüber bekannt, dass nach ihnen gefahndet würde. Sprach Tsvetanov noch von einem Foto, das Angehörige eines der Komplizen im Kreise von Hisbollah-Mitgliedern zeige, kursiert seit einigen Wochen nun die Version, der Inhaber des Druckers, auf dem die gefälschten Dokumente fabriziert wurden, sei als Hisbollah-Aktivist bekannt. Beide verlautbarten Indizien dürften für einen justiziablen Nachweis der Schuld der Hisbollah am Attentat in Burgas kaum ausreichen.
"Es gibt keine schlüssigen Beweise für die Verwicklung der Hisbollah in das Bombenattentat vom Juli 2012 in Burgas", sagte Außenminister Kristian Vigenin Anfang Juni, wenige Tage nach seinem Amtsantritt. Aufgeschreckt durch das internationale Echo auf seine Aussage relativierte er sie wenige Tage später und betonte, an der "begründeten Annahme" für die Autorschaft der Hisbollah habe sich nichts geändert. Vigenins Schwanken verstärkt bei vielen Bulgaren nur den Argwohn, bei der Aufklärung des Attentats Burgas könnten nicht nur kriminalistische, sondern auch politische Motive handlungsweisend sein. Sie sehen ihr Land in ein Szenario hineingezogen, das ihnen durch die bisher bekannt gewordenen Fakten noch nicht als erwiesen erscheint.