Zum Hauptinhalt springen

Ein "Aufbruch zu neuen Ufern"

Von Ines Scholz

Politik

Neue Partei "Unabhängigkeit" sagt sich von linker Politik los. | Barak behält sein Ministeramt. | Streit entzündete sich vor allem an Baraks Nahostpolitik. | Jerusalem/Wien. Israels schwer angeschlagene Arbeitspartei ist auseinander gebrochen. Nach Monaten heftiger Grabenkämpfe zwischen dem rechten und dem linken Flügel hat Parteichef Ehud Barak am Montag die Konsequenzen gezogen und den Austritt aus der Bewegung angekündigt. | Partei des Staatsgründers im schleichenden Niedergang


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Gemeinsam mit vier getreuen Abgeordneten will der Verteidigungsminister eine eigene Fraktion gründen. Sie soll der neuen Regierung angehören. Hingegen wird mit einem Austritt der Arbeitspartei aus der Koalition gerechnet.

"Wir brechen zu neuen Ufern auf", so Barak bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz in Jerusalem. Und er gab auch bereits die Richtung seiner neuen Unabhängigkeitspartei vor. Diese "wird in der politischen Mitte angesiedelt, zionistisch und demokratisch sein". Matan Vilnai, Baraks Stellvertreter im Verteidigungsressort und enger Verbündeter, der ihm nun zu neuen Ufern folgt, wirkte sichtlich erleichtert. "Wir hatten einfach keine Chance. Das Leben in der Arbeiterpartei war furchtbar. Es war unmöglich zusammenzuarbeiten."

Tatsächlich tobte in der Partei der Gründungsväter des Staates Israels ein heftiger ideologischer Richtungsstreit, der diese immer wieder vor die Zerreißprobe stellte. Vertreter des linken Lagers um Isaak Herzog und Minderheitenminister Avishai Braverman warfen Barak vor, Entscheidungen der ultrarechten Koalitionsregierung von Regierungschef Benjamin Netanyahu mitzutragen, um seine Macht zu sichern. Damit habe er die Parteigrundsätze verraten. "Barak wird von seinen ehemaligen Parteifreunden als Opportunist gesehen, der als Spitzenkandidat 2009 die Wahlen verlor und sich ursprünglich gegen eine Netanyahu-Regierung gestellt hatte, sich aber dann doch in diese hineinbegab", erklärt die Nahost-Expertin und Politikwissenschafterin Karin Kneissl der "Wiener Zeitung".

Zuletzt hatte ein von der ultranationalistischen Partei von Außenminister Avigdor Lieberman eingebrachtes Gesetz bei den Linksvertretern für Empörung gesorgt. Dieses sieht vor, regierungskritische Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen finanziell zu durchleuchten. Teile der Arbeiterpartei sprachen von einem Maulkorbgesetz zur Zersetzung der Demokratie und forderten den Austritt der Partei aus der Koalition, sollte das Gesetz, gegen das am Wochenende 10.000 Israelis auf die Straßen gegangen waren, in die Tat umgesetzt werden. Barak hatte die Initiative der Lieberman-Partei zwar kritisiert, von einem Verlassen der Koalition wollte er aber nichts wissen. Auch der von den rechten Koalitionspartnern geforderte Treueschwur von Palästinensern auf den jüdischen Staat stieß der Linken auf.

Barak wurde vor einUltimatum gestellt

Zu noch größeren Verwerfungen kam es in der Frage der Palästinenser-Politik. Da die rechten Regierungsparteien - Netanyahus Likud, Shas, die nationalreligiöse Nationale Union und Liebermans Israel-Beitenu-Partei - einen Baustopp für jüdische Siedlungen in den besetzten Gebieten während direkter Nahost-Verhandlungen kategorisch ablehnen, steht seit Herbst der Friedensprozess still.

Auch in dieser Frage stellte der linke Flügel Barak kürzlich ein Ultimatum, nachdem der 68-Jährige mit Kompromissvorschlägen etwa in der Ostjerusalem-Frage bei seinen Koalitionspartnern gescheitert war. Barak hatte behauptet, die Regierung sei zur Abtretung von Teilen Ostjerusalems an die Palästinenser bereit - sie war es aber keineswegs.

Den endgültigen Todesstoß in der Partei, meinen Beobachter, versetzte Barak die US-Regierung. Diese hatte sich vor zwei Wochen gegenüber der linksliberalen Zeitung "Haaretz" bitter darüber beklagt, dass der Verteidigungsminister Washington monatelang im Glauben ließ, er besitze im Kabinett ausreichend Durchschlagskraft, um den Friedensprozess voranzubringen. Dies entspreche aber nicht den Tatsachen.

Entweder Wiederaufnahme der Direktgespräche mit den Palästinensern oder Austritt aus der Koalition, lautete daraufhin die Vorgabe des durch die US-Äußerungen ermutigten linken Flügels. Barak ignorierte - "zur Rettung des Friedensprozesses", wie er meinte - auch hier seine Parteikollegen. Die Forderung nach sofortigen Neuwahlen für den Vorsitz ignorierte er.

"Er hat sich entschlossen, mit Netanyahu weiterzumachen". Barak habe nun keinen Platz mehr in der Arbeiterpartei meinte Braverman. "Diese Krise bietet eine große Gelegenheit zur Wiederbelebung der Partei", kommentierte der Minister Baraks Schachzug.

Regierungsmehrheit ist gesichert

Dieser garantiert Barak seinen Ministerposten - bis 2013, sofern die Koalition die gesamte Legislaturperiode hält. Deren Mehrheit ist mit den vier Abgeordneten, die Barak weiter die Treue halten, jedenfalls gesichert. Netanyahu kommt die Spaltung gelegen, da Barak zum endgültig zum Leichtgewicht im Kabinett wird. Die Arbeit werde reibungsloser über die Bühne gehen, freute sich denn auch ein Likud-Vertreter.

Von den verbliebenen Ministern sein Amt niedergelegt hat am Montag Isaak Herzog. Er hoffe, dass ihm die übrigen Kollegen folgen werden, meinte der Sozialminister. Diese haben über ihr weiteres Vorgehen noch nicht entschieden. Es wird aber damit gerechnet, dass auch sie in Kürze den Hut nehmen. Die Arbeiterpartei verliert durch Baraks Überraschungscoup vermutlich nur drei Mandate statt vier. Es wird damit gerechnet,. dass der Abgeordnete Daniel Ben Simon, der vorige Woche die Partei aus Protest gegen Barak verlassen hatte, wieder zurückkehrt.

Die Ultrareligiösen malen indes bereits das Ende der Linken an die Wand. "Die Fragmentierung der Arbeiterpartei ist nur die erste Hälfte der Schlacht". Gewonnen sei sie dann, wenn Israels Linke gar keinen Einfluss mehr habe, meinte ein Vertreter.

Dass Barak mit seiner neuen Parteienkreation politischen Erfolg haben wird, wird eher bezweifelt. Die österreichische Nahost-Expertin Kneissl erinnert sein Schachzug an die Spaltung des Likud 2005. Damals habe Ariel Sharon die neue Partei Kadima mit der Begründung gegründet, mit Likud könne man keine Politik mehr machen. "Die Folge war, dass der harte Kern des Likud-Blocks bei den Wahlen unter Netanyahu wiederauferstanden ist, während die Kadima-Partei zumindest vorerst politisch im Abseits steht." Ähnliches könnte Barak drohen, der 1999 bis 2001 Ministerpräsident war. "Ich halte ihn auch für kein Schwergewicht, der einen Neustart in der Mitte machen könnte", so Kneissl. Die Mitte sei außerdem teilweise bereits von der Kadima-Partei Zipi Livnis und anderen besetzt.

"Lieberman vergiftet das politische Klima"

Dass sich die Arbeiterpartei sehr weit links positionieren wird, bezweifelt Kneissl. "Sie hat damit gegenwärtig nicht wirklich etwas zu gewinnen angesichts des derzeit herrschenden politischen Klimas in Israel." Vor allem die nationalreligiösen und säkularen ultranationalistischen Parteien seien derzeit sehr stark. Das politische Klima sei nicht zuletzt durch Lieberman sehr vergiftet.

Daran, dass sich der Kurs der Netanyahu-Regierung radikal zuspitzen wird, wenn die Arbeiterpartei nicht mehr im Kabinett sitzt, glaubt Kneissl nicht. "Zuspitzen würde sich die Lage, wenn es zu regionalen Instabilitäten - etwa im Libanon oder in Ägypten - kommt."