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Im Gefängnis nennt man sie verächtlich "Tatschkerlisten". Jene Burschen, die Kindern zu nahe gekommen sind. Sie stehen in der Strafvollzugs-Hierarchie ganz unten, werden gemieden, verachtet, nicht selten selbst missbraucht. Justizwachebeamte wissen das und bemühen sich, für diese Klientel Einzelzellen zu finden, bevor ihnen noch Schlimmeres passiert. Beim derzeitigen Überbelag der heimischen Gefängnisse keine leichte Aufgabe.
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Angesichts der grauenhaften Umstände, die mit Produktion und Konsumation von Kinderpornos verbunden sind, hält sich das Mitgefühl mit jenen (wenigen), die erwischt, verurteilt und wirklich eingesperrt werden, in Grenzen. Auch wenn so mancher Täter ein ehemaliges Opfer ist.
Im Jahr 2004 etwa wurden 187 Personen bundesweit wegen § 207 StGB. (sexueller Missbrauch von Unmündigen) angezeigt - zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde kein einziger. 2005 kamen auf 342 Anzeigen ganze acht Haftstrafen. Der große Rest bekam bedingte oder teilbedingte Geld- oder Haftstrafen. Zu den 240 Anzeigen aus dem Vorjahr stehen viele Urteile noch aus.
Man müsse zwischen Herstellern und Konsumenten unterscheiden, sagt Bundeskriminalamts-Sprecher Gerald Hesztera. In Europa habe man es fast ausschließlich mit zweiteren zu tun. Die Produzenten einschlägiger Filme sitzen kaum erreichbar in Osteuropa oder in Asien. Dort sind unversorgte Kinder massenweise verfügbar und Menschenrechte oder -leben um einiges weniger wert als bei uns.
"Schauen Sie, wir müssen uns Filme anschauen, auf denen erwachsene Männer ihr Glied in Babies hineinrammen", erzählt Mario Hubmann, einer jener vier Spezialisten im Bundeskriminalamt, die seit eineinhalb Jahren hauptberuflich an der Klärung solcher Fälle arbeiten.
Auch die europäischen Päderasten seien in zwei Gruppen zu unterteilen, sagt er: In die "lieben Onkels", die (meist nah verwandte) Kinder missbrauchen, aber keine Aufzeichnungen darüber führen. Und in die Käufer und Tauscher von Kinderpornos, die wiederum (meist) nicht selbst aktiv missbrauchen.
Eine kleine, aber umso gefährlichere Gruppe schließlich tut beides und tauscht selbst hergestellte Fotos und Filme wie Trophäen über eigene, gut gesicherte Chatrooms. "An die kommen wir trotz bester technischer Ausrüstung kaum heran", sagt Hubmann. Weil man nicht dürfe, wie man wolle. So sei es etwa gesetzlich untersagt, als Agent Provocateur aufzutreten und einschlägiges Material zu kaufen oder gar selbst anzubieten. Genau das wäre aber nötig, um in solche Zirkel einzudringen.
Was er bei seiner Arbeit empfindet? "Wut, Ohnmacht, Verzweiflung - ein täglicher Ausflug in die schwärzesten Ecken der menschlichen Seele". Aufhören will dennoch keiner der vier Beamten. Es entwickle sich eine Art Sendungsbewusstsein, sagt Hubmann: Man könne aktiv mithelfen, eines der verabscheuungswürdigsten Verbrechen der Welt zu bekämpfen.