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Ein außen- und sicherheitspolitisches SPÖ-Debakel

Von Arno Tausch

Gastkommentare
Arno Tausch ist Dozent der Politikwissenschaft und beschäftigt sich seit fünf Jahrzehnten mit internationaler Politik. Von 1992 bis 2016 war er als österreichischer Beamter im Bereich EU und Internationales tätig.
© privat

Was Andreas Bablers Aussagen über die Europäische Union so ungeheuerlich macht.


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Lang, lang ist es her, dass sich die österreichische Sozialdemokratie 1926 mit dem Linzer Programm ein wegweisendes Reformprogramm gegeben hat. Ganz obenauf steht dort die nationale Verteidigung, die durch eine allgemeine Wehrpflicht zu garantieren ist. Das außen- und sicherheitspolitische Debakel, das sich aus der Tirade des neuen SPÖ-Vorsitzenden gegen die Europäische Union aus dem Jahr 2020 ergibt, wird nicht besser, wenn man zurückblickt: Andreas Babler forderte in einer APA-OTS-Aussendung am 3. Februar 2011, das Bundesheer abzuschaffen, weil angeblich kein militärisches Bedrohungspotenzial gegen Österreich vorhanden sei.

Wladimir Putin, der IS und alle, die sonst am Horizont zu sehen sind, werden sich freuen. Die Austromarxisten des Parteiprogramms von 1926 wussten es viel besser, ebenso die sozialdemokratischen Bundespräsidenten und somit Oberbefehlshaber des österreichischen Bundesheeres, Theodor Körner, Adolf Schärf, Franz Jonas und Heinz Fischer. Kein Kanzlerkandidat in Österreich hat sich so über zwei Grundartikel unserer Bundesverfassung hinweggesetzt wie Babler, der die Artikel 9 und 79, die die Landesverteidigung und das Bundesheer betreffen, anscheinend nicht kennt oder nicht kennen will. Schlecht für einen SPÖ-Kanzlerkandidaten und schlecht für die Parteitagsdelegierten, die all dies offensichtlich nicht gestört hat. Schlecht auch für die maßgeblichen sozialdemokratischen Intellektuellen, die bisher ebenso hierzu schweigen.

Ein weiterer Linzer SPÖ-Negativrekord in Sachen Außen- und Sicherheitspolitik: Keiner der Parteitagsdelegierten sprach darüber, dass Babler die Europäische Union als "das aggressivste außenpolitische Militärbündnis, das es je gegeben hat", bezeichnet hatte. In seiner unfassbaren Stellungnahme hatte er also den Dreimächtepakt zwischen dem Deutschen Reich, dem Kaiserreich Japan und dem faschistischen Italien vom 27. September 1940 "übersehen" und damit die Verbrechen der Nationalsozialisten ungeheuerlich relativiert. Solch ein Frontalangriff auf die Europäische Union ist ein Tabubruch der Sonderklasse, den bislang nicht einmal Marine Le Pen, Matteo Salvini, Viktor Orban oder andere Rechtspopulisten unseres Kontinents geäußert haben.

Es ist zu hoffen, dass der neue Parteivorsitzende massiv um eine Abkehr von den hier dargelegten Positionen bemüht ist und ein konstruktives Papier der österreichischen Diplomatinnen und Diplomaten zu einer Neuorientierung der österreichischen Außenpolitik wenigstens die künftige Diskussion bestimmt. Es wäre es wert.