)
Der Guru der US-Außenpolitik fordert einen klaren Kurswechsel - und gibt Präsidentschaftskandidat Barack Obama konkrete Handlungstipps für die Zeit nach der Wahl.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Zbigniew Brzezinski hat ein neues Buch geschrieben, das sich wie ein außenpolitisches Manifest für den Präsidentschaftskandidaten Barack Obama liest. Die Botschaft lautet: Die USA könnten sich von den "katastrophalen Fehlern" der Bush-Regierung erholen, aber nur, wenn der nächste US-Präsident einen deutlichen Schlussstrich unter die alte Politik zieht und die USA auf eine Welt im Umbruch neu ausrichtet.
Brzezinski sagt, er habe sich noch auf keinen Präsidentschaftskandidaten festgelegt, der den Titel seines Buches, "Second Chance", einlösen könnte. Da er aber so sehr die Notwendigkeit einer Überarbeitung der US-Außenpolitik betont, erweisen sich seine Rezepte als maßgeschneidert für einen gewissen Senator aus Illinois. Schaut genau hin, könnte der junge Obama als US-Präsident zu denen, die wütend auf die USA sind, sagen: Ich vertrete ein Land, das ganz anders als das ist, das ihr zu kennen glaubt.
Obama wäre freilich ein amerikanischer Präsident mit sehr beschränkten außenpolitischen Möglichkeiten, nicht zuletzt, da er kaum über Erfahrung verfügt. Das ist die Kehrseite eines neuen, von der Vergangenheit unbelasteten Gesichts in der Politik. Schwer zu sagen, welche Entscheidungen Obama, abgesehen vom Irak, treffen würde. Daher möchte ich lieber Brzezinski, den Guru der US-Außenpolitik, in den Mittelpunkt stellen.
Zuerst das gebührende Lob: Wenn es einen außenpolitischen Analysten gibt, den man heutzutage ernst nehmen muss, dann ist es dieser 78-jährige Veteran der Regierung Carter. Brzezinski warnte nachdrücklich vor den Gefahren einer US-Invasion im Irak, als die meisten außenpolitischen Experten, aus welchen Gründen auch immer, noch Bushs Entscheidung für den Krieg unterstützten.
Dafür sollte er bezahlen. Von den inneren politischen Kreisen wurde er zur Strafe ausgeschlossen - aber das Leben als Outsider hat sich letztlich positiv für ihn ausgewirkt. Wir sollten also sehr genau auf das hören, was er über die Außenpolitik zu sagen hat.
Wie die letzten drei US-Präsidenten der Reihe nach die Chance vertan haben, die USA nach dem Ende des Kalten Krieges zu einer wahren Supermacht aufzubauen, darum geht es in "Second Chance": interessant, scharf, schroff fällt die Analyse aus.
Ein superber Krisenmanager, aber ohne strategische Visionen, so charakterisiert Brzezinski Bush Senior als US-Präsident. Clinton beschreibt er als hypnotisiert von der Vision einer "deterministischen Globalisierung". Diejenigen, die regelmäßig US-Talk-Shows verfolgen, kennen viele von Brzezinskis Ansichten zwar schon, aber hier bereitet er sie in besonders ätzender und vernichtender Sprache neu auf. Hauptsächlich knüpft sich Brzezinski die "katastrophale Führung" des jetzigen Präsidenten vor. Den Irakkrieg bezeichnet er als "geopolitisches Desaster", das die Terrorbedrohung für die USA nur noch verschlimmert hätte.
Der faszinierendste Teil des Buches ist jedoch das "Obama-Manifest", das Brzezinski natürlich nicht so nennt, aber ich glaube, er würde sich gegen diese Benennung auch nicht sehr wehren. Er beschreibt ein "weltweites politisches Erwachen", das sich in sehr verschiedenen Formen ausdrückt - vom Irak bis Indonesien, von Tibet bis Bolivien.
Das internationale Streben nach menschlicher Würde sei die zentrale Herausforderung dieses Phänomens des politischen Erwachens, so Brzezinski. Und der nächste US-Präsident sollte einen guten Instinkt für den Zeitgeist haben. Wird das Barack Obama sein? Brzezinski hat jedenfalls die Herausforderung, die die künftige Führung der USA darstellt, mit ungewöhnlicher Klarheit beschrieben.
Übersetzung: Hilde Weiss