Den irrational agierenden Finanzmärkten muss das Geschäft mit der Staatsfinanzierung entzogen werden.
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Es gibt doch noch Rationalität: Jetzt hat sogar die OECD, wahrlich kein Hort von Attac, in ihrem jüngsten "Sovereign Borrowing Outook 2013", den der OECD-Abteilungsleiter für Staatsanleihen und Schuldenmanagement, Hans Blommestein, am 27. Februar in Wien vorstellte, davor gewarnt, die Herabstufungen von Ländern durch die drei Ratingagenturen allzu ernst zu nehmen. Natürlich nicht aus ideologischen Gründen, sondern wegen der armseligen Leistungen dieser von Interessenkonflikten vollgesaugten Institutionen der privaten Finanzmärkte.
Das ist nicht nur eine akademische Diskussion, werden die 34 OECD-Länder heuer doch fast 11 Billionen US-Dollar zu refinanzieren haben, davon rund 2 Billionen an Nettokreditaufnahmen (der große Rest sind Refinanzierungen von bestehenden Krediten). Und da spielen die von den Finanzmärkten verlangten Renditen für Staatsanleihen natürlich eine wichtige Rolle, denn bekanntlich hängt es von der absoluten Staatsverschuldung und den verlangten Zinsen ab, ob die einzelnen Länder dies finanzieren können, beziehungsweise welche anderen, produktiven Staatsaufgaben sie aufgrund zu hoher Zinszahlungen für die Staatsschuld streichen müssen. Die OECD-weiten Sparprogramme, die die Schuldenlast von mehr als 111 Prozent des OECD-BIP wieder in tragfähigere Höhen drücken sollen, sind getrieben vom ökonomischen Mainstream, der offenbar in hohen Staatsschulden den Gottseibeiuns sieht.
Erstaunlich wiederum, da letztlich die die Zinshöhen bestimmenden privaten Finanzmärkte gut an der Staatsschuld verdienen. Einerseits galten Staatspapiere bis zur Finanzkrise als 100 Prozent sicher, also risikofrei - und musten deshalb nicht mit Eigenkapital unterlegt werden -, andererseits erhielten die Banken hohe Gebühren dafür, dass sie die Staatsanleihen unter das Volk und an die Investoren brachten.
Deswegen ist es überraschend, dass die Finanzmärkte, vermittels der Ratingagenturen, Staaten mit sehr hohen Schuldenquoten durch hohe Renditeforderungen für ihre Anleihen (nach Herabstufungen) bestrafen, andererseits aber jetzt plötzlich draufkommen, dass die von ihnen selbst geforderten Sparprogramme das Wachstum drücken und damit die Rückzahlung der hohen Zinsen und des Kapitals deutlich erschweren. "Wer ist stärker: ich oder ich?", kann man da nur fragen.
Ich sehe nur einen Ausweg aus diesem Dilemma: Den irrational agierenden Finanzmärkten muss das Geschäft mit der Staatsfinanzierung entzogen werden. Es muss einer öffentlich rechenschaftspflichtigen Institution, also der Europäischen Zentralbank, übertragen werden, die dann den Staaten die notwendigen Kredite gibt, natürlich gemessen am Risiko und versehen mit wirtschaftspolitischen Auflagen. Ich weiß, dass dies ein Tabubruch ist, da in der Vergangenheit politischer Zugriff auf Notenbank-Geld oft missbraucht wurde. Aber das ist beherrschbar. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass Staatsversagen wirklich schlechtere Ergebnisse liefert als Marktversagen. Die Krise hat jedenfalls klargemacht, dass die vergötterten privaten "effizienten" Finanzmärkte versagt haben.