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Ein Bauer im Finanzministerium?

Von Walter Hämmerle

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Einst war "Bauer" neben einer Berufsbezeichnung auch ein Schimpfwort. Damit ist es längst vorbei.


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"Was macht ein Bauer im Finanzministerium?", fragte ÖVP-Obmann Josef Pröll am Mittwoch anlässlich seiner Grundsatzrede keck ins Auditorium.

Nicht viel, müsste man darauf eigentlich wahrheitsgetreu antworten. Josef Pröll stammt vielleicht aus einer Bauernfamilie und wurde im Bauernbund politisch sozialisiert, ein Bauer ist er allerdings ganz gewiss nicht. Zumindest deutet keine Station seines bisherigen beruflichen Lebensweges darauf hin: Studium an der Boku Wien, wirtschaftspolitischer Referent im Bauernbund, Zwischenstation in Brüssel, sodann Direktor des Wiener Bauernbundes, Kabinettschef

im Landwirtschaftsministerium, schließlich selbst Minister und jetzt eben auch noch Vizekanzler. Zeit für den Acker und die Reben bleibt da eher nicht.

Doch dank der hochprofessionellen und milliardenschweren Imagearbeit von Bauernbund, Billa-"Ja, natürlich" und Co. verbindet eine Mehrheit der Österreicher höchst positive Assoziationen mit dem Begriff des Bauern: Naturnah, fleißig, nachhaltig, sparsam - alles Attribute, die viele auch an einem Politiker schätzen, sofern sie sich nicht den urbanen Bohemians zugehörig fühlen.

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Das Kärntner BZÖ geizte vergangenen Sonntag, dem ersten Todestag Jörg Haiders, nicht mit Trauerbekundungen für die verlorene Ikone: Gedenkmesse im Klagenfurter Dom, Requiem im Stift Ossiach, Enthüllung eines Marterls und - nebst ewigen politischen Treueschwüren natürlich - noch einiges mehr.

Dass es auch anders, dezenter geht, bewies die kleine Schar der Wiener Orangen. Hier veranlasste ein BZÖ-Funktionär, dass auch der Name Jörg Haiders bei der Sonntagsmesse im Stephansdom beim Gedenken an die Toten verlesen wurde. Gegen den üblichen Kostenbeitrag von 7 Euro.

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Die Politikertypen Intellektueller und Urgestein wurden an dieser Stelle bereits abgehandelt. Im Unterschied zum dritten, dem Technokraten, schwingt bei ihnen jedoch ein positiver Beiklang mit. Der Technokrat dagegen gilt mit seinem zumeist emotionslosen, zielorientierten Tun als Totengräber jeder demokratischen Romantik.

Mit den Ritualen der Volksherrschaft kann der Technokrat herzlich wenig anfangen: Er handelt, wie er es für richtig und der Sache angemessen hält. Für Ideologie ist dabei naturgemäß kaum Platz. Und wenn doch, wirkt sie seltsam aufgesetzt und jedenfalls nicht authentisch.

Klettern Technokraten die Karriereleiter in Parteien hoch, rümpfen die Absolventen der Ochsentour die Nase über die Emporkömmlinge und jammern ewig über deren fehlenden Stallgeruch. Was nichts daran ändert, dass Technokraten mittlerweile das Gros der Führungsmannschaften in fast allen Parteien übernommen haben.

Der erfolgreichste Technokrat in Österreich war zweifellos Franz Vranitzky. Der gelernte Banker wurde dank der weisen Voraussicht von Fred Sinowatz zum Bundeskanzler befördert. In dieser Funktion sicherte er der Sozialdemokratie ab Mitte der 1980er Jahre für ein weiteres Jahrzehnt die Macht als Nummer eins. Das Herz der Partei konnte Vranitzky dennoch nie erobern, wozu wohl auch sein stets angespanntes Verhältnis zu den roten Gewerkschaftern beigetragen hat.

Mit Viktor Klima, der 1997 auf Vranitzky folgte, versuchte die SPÖ dessen Erfolgsmodell fortzuführen. Doch diesmal scheiterte das Projekt kläglich, worauf die Partei das Experiment mit dem Intellektuellen Alfred Gusenbauer an der Spitze wagte. Nach acht Jahren als Parteichef war aber auch dessen Zeit abgelaufen, und die SPÖ kehrte mit Werner Faymann zur roten Technokraten-Tradition zurück.

In dieser suchen auch die Schwarzen seit der Demontage ihres letzten bunten Vogels Erhard Busek ihr Heil. Der Vorteil von Josef Pröll besteht darin, dass er dank seiner Familie wenigstens über ein gerüttelt Maß an Stallgeruch verfügt.