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Wo findet man Internationalität in Wien? Wo hört man die verschiedensten Sprachen und niemand schaut interessiert, wenn jemand nicht weißer Hautfarbe ist? Wo in Wien ist es nicht selbstverständlich, Österreicher zu sein? Im ersten Bezirk, am Flughafen? Nein, es gibt noch einen Ort in Wien, der vor Internationalität birst und über den in dieser Stadt recht wenig nachgedacht wird: die UNO-City.
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In vielem wirkt sie wie eine Insel neben der Donauinsel. Die meisten Österreicher denken über dieses UNO-Gebäude wenig nach. Dabei gibt es nur vier Quartiere der Vereinten Nationen. Das Hauptquartier ist in New York, weitere UNO-Sitze sind Genf, Wien und Nairobi.
Es begann 1957
Bereits 1957 hat auf Einladung der österreichischen Bundesregierung die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) Wien zu ihrem ständigen Amtssitz gewählt, 1965 folgten die Organisation für Erdölexportierender Länder (OPEC) und 1967 wurde Wien zum Sitz für die neugegründeten Organisation für industrielle Entwicklung (UNIDO) von der 21. Generalversammlung der UNO bestimmt.
1966 unterbreitete die österreichische Bundesregierung den Vereinten Nationen den Vorschlag, einen Amtssitz für die internationalen Organisationen zur Verfügung zu stellen. Wien sollte somit dritter Amtssitz der Vereinten Nationen nach New York und Genf werden.
Seit 1996 hat auch die neugegründete CTBTO (Vorbereitende Kommission für die Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen) ihren Hauptsitz in Wien.
Das "Vienna International Centre" (VIC) wurde am 23. August 1979 feierlich eröffnet und den internationalen Organisationen übergeben.
Ein Schilling Miete
Die Vereinten Nationen zahlen eine symbolische Miete von einem Schilling jährlich für die Dauer von 99 Jahren. Für Einrichtung und Betriebskosten (etwa 300 Millionen Schilling jährlich) kommen die einzelnen Organisationen selbst auf. Die Beschäftigten bei den Organisationen geben im Jahr hunderte Millionen Schilling aus. Gelder, die in die österreichische Wirtschaft fließen. Die Ausgaben für das Gebäude haben sich mittlerweile längst amortisiert. (Laut Außenpolitischem Bericht betrugen die Ausgaben der Organisationen in Österreich 1996 etwa 1 Milliarde Schilling).
4.000 UNO-Angestellte
Im "Vienna International Centre" arbeiten fast 4.000 Angestellte bei den internationalen Organisationen. Dazu kommen noch Mitarbeiter der Catering- Firmen, der Reinigungsfirmen und von technischen Firmen. Von den 189 Mitgliedsstaaten sind etwas über 120 Nationalitäten im VIC vertreten. Etwa ein Drittel der UNO-Angestellten sind Österreicher.
Für viele Menschen, die im VIC arbeiten, ist Wien nur eine Zwischenstation. Wenn man für die Vereinten Nationen arbeitet, muss man damit rechnen, auf Mission "geschickt" zu werden und oft für mehrere Jahre im "Ausland" zu leben.
Vom Kongo . . .
Dann gibt es wieder die, für die Wien zur zweiten Heimat geworden ist, wie Herr Tubi Mujanaya aus der Demokratischen Republik Kongo, der im VlC seit 21 Jahren im Sicherheitsdienst als "Desk Security Officer" arbeitet. Das Areal des VIC ist exterritorial und fällt unter die Kontrolle und Obrigkeit der hier ansässigen Organisationen. Die Vereinten Nationen, die die Hauptverantwortung tragen, haben in Wien einen Sicherheitsdienst mit über hundert Angestellten aus verschiedenen Ländern. Die Sicherheitsbeamten, die alle in ihren Heimatländern den Militärdienst oder eine Polizeiausbildung absolviert haben, sind rund um die Uhr im VlC im Einsatz.
Auch Herr Tubi Mujanaya hat vor seinem Dienstantritt im VIC schon als "Investigator" (Untersuchungsbeamter) in Haiti und als "Security Teamleader" (Sicherheitchef) im Irak gearbeitet. Auf die Frage, ob er Heimweh hat, antwortet er "manchmal", aber er liebt seine Arbeit für die Vereinten Nationen und Österreich ist ihm zur zweiten Heimat geworden.
Herr Mujanaya spricht, wie die meisten in diesem Gebäude, viele Sprachen. Er beherrscht Luba, Lingala, Französisch, Englisch und auch Deutsch, obwohl Deutsch nicht zu den offiziellen Sprachen - Arabisch, Chinesisch, Englisch, Französisch, Russisch, Spanisch - der UNO gehört.
Bei Konferenzen wird in allen sechs Sprachen simultan gedolmetscht. Ebenso erscheinen wichtige Dokumente in allen sechs Sprachen. Übersetzer und Dolmetscher, die bei den Vereinten Nationen arbeiten, müssen eine der sechs Sprachen als Muttersprache haben.
Obwohl das VIC in Wien liegt, kommt es daher sehr oft vor, dass man auf Menschen stößt, die kein Wort Deutsch verstehen und damit in Österreich sehr gut zurecht kommen, denn theoretisch bräuchte man das Gebäude außer zum Schlafen kaum zu verlassen. Immerhin kann man darin alles finden, was man, wenn man einmal nicht arbeitet, zum Leben braucht. Von einem Einkaufszentrum bis zu Friseur, Banken, Cafeterias, einer Apotheke und Restaurants ist alles vorhanden. Nur Wohnungen gibt es im VIC keine.
Aber auch zur Wohnungssuche braucht man des Deutschen nicht unbedingt mächtig zu sein. Im Haus steht den Beamten ein Wohnungsvermittlungsbüro zur Verfügung. Viele Kinder von UNO-Mitarbeitern besuchen internationale Schulen in Wien.
. . . bis nach Japan
Frau Mayumi Ueda kommt aus Japan, ist 34 Jahre alt und arbeitet in der "Fund Raising Unit" (Abteilung für Hilfsgelder) bei UNDCP, dem Büro für Drogenkontrolle und Verbrechensverhütung der Vereinten Nationen, das auch seinen Hauptsitz in Wien hat.
Mayumi Ueda studierte in ihrer Heimat Pharmazie und arbeitete einige Jahre in einer Pharmazeutischen Firma. Später graduierte sie noch in Epidemiologie, um danach bei WHO als ein JPO (Junior Professional) ihre UN-Karriere zu beginnen. Bei UNDCP arbeitet sie seit 1997, es ist ihre zweite Stelle innerhalb der UN.
Da sie noch jung ist, kann sie damit rechnen, dass es nicht ihre letzte sein wird, da Angestellte innerhalb der UN auch die Organisationen und damit auch den Arbeitsort wechseln. Doch Frau Mayumi Ueda hofft, noch recht lange in Wien stationiert zu sein, da sie findet, ,,dass Österreich das sauberste Land der Welt ist" und sie keine Zeit hat, Heimweh zu haben, ,,denn es gibt so viele Orte in Österreich die einen Besuch wert sind".
Ein Stück Internationalität
Wie viele andere UNO-Mitarbeiter schätzt sie besonders die geographische Lage Wiens, von wo man schnell einmal übers Wochenende nach Paris oder Prag fliegen kann. Wenn man Montag früh in einem der vielen Aufzüge des VlC steht, hört man sehr oft, wie sich die Mitarbeiter über ihre Wochenendtrips in diverse Städte Europas unterhalten.
Frau Ueda spricht "nur" Japanisch und Englisch. Auch sie liebt, wie Herr Tubi Mujanaya, ihre Arbeit für die Vereinten Nationen und ist der Meinung, ,,dass es keinen anderen Ort auf der Welt gibt, wo man täglich so viele Menschen aus verschiedenen Ländern treffen kann". Sie betont, sie sei froh darüber, in einem "mixed-cultural enviroment" zu arbeiten.
Überhaupt scheinen viele Angestellte in VIC recht zufrieden mit ihrem Gastland zu sein.
60-Stunden-Woche
Da die meisten UNO-Angestellten "Workaholics" sein dürften, was überhaupt den etwas amerikanisierten Flair der ganzen Umgebung entspricht, haben sie nach einer 50- bis 60-Stunden Woche nicht sehr viel Zeit, die Schönheiten ihres Gastlandes zu genießen. Die Sätze, die man immer wieder hört, wenn man nach ihren Gefühlen gegenüber Österreich fragt: Es sei ein sehr schönes und sauberes Land, man sei besonders glücklich über die niedrige Kriminalitätsrate und dass man Nachts alleine auf den Straßen spazieren kann. Man schätzt die Gemütlichkeit und die Kaffeehäuser. Über die politische Situation im Gastland wird relativ wenig philosophiert. Gilt es doch, über das Geschick der ganzen Welt nachzudenken. Wie man überhaupt oft das Gefühl hat: Diese Menschen leben zwar in Österreich, arbeiten aber auf internationalem Territorium und nur zufällig befindet sich die Wohnung in Österreich.
Es gibt eine Trafik in der Rotunde und österreichische Zeitungen liegen zwar auf, aber sie gehören sicher nicht zu den meist gekauften. Die "New York Times", der "Independent" und die "International Herald Tribune" gehen täglich sicher öfter über den Ladentisch. Von diesem Standpunkt aus gesehen, wird unser Land nicht mit viel mehr Interesse wie jedes andere betrachtet. Man fühlt sich tatsächlich wie auf einer internationalen Insel, die zufällig neben der Donauinsel in Österreich liegt.