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Ein Bildungspaket auf Raten

Von Martina Madner

Politik

Minister Faßmann schnürt an vielen Stellen seines Pädagogikpakets.


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Wien. "Das österreichische Bildungssystem ist generell gut aufgestellt", stellt Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) den Schulen ein gutes Zeugnis aus. Das pädagogische Paket, mit dem die Regierung die Laufbahnen der Schüler steuern möchte, gleicht folglich keinem mit Rotstift vorgenommenen Streichen, sondern dezenten Korrekturen. Schließlich sagt der Minister: "Abbruch und Neubau kommen für mich nicht in Frage. Sanierung und Modernisierung in ausgewählten Bereichen sehr wohl."

Angekündigt werden eine "Präzisierung", "Optimierung", "Verbesserung", "Weiterentwicklung und Stärkung" verschiedener Eckpunkte. Die Konkretisierung erfolgt nach einem "breiten Diskussionsprozess", den Klemens Riegler-Picker als Projektleiter im Ministerium begleiten wird.

Klare Schulreifekriterien vor der Volksschule

Die Einschätzung der Schulreife angehender Volksschulkinder scheint in Österreich von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich zu sein. Während in Salzburg 24 Prozent der möglichen Taferlklassler als noch nicht "schulreif" eingestuft werden und eine Vorschule besuchen, sind es in der Steiermark gerade einmal ein Prozent.

Es sind diese Unterschiede, die das Ministerium zum Anlass nimmt, einen verbindlichen Schulreifekriterien-Katalog zu erarbeiten. Sogenannte schulische "Vorläuferkriterien" wie Feinmotorik, zahlenbezogenes Vorwissen oder die Benenngeschwindigkeit sollen etwa eine Rolle spielen; Kinder mit "Entwicklungsverzögerungen" sollen wie bisher die Vorschule besuchen, Kinder mit sprachlichen Defiziten in Deutschförderklassen unterrichtet werden.

Für Bildungspsychologin Christiane Spiel ist Bildungsfähigkeit ein großes Thema ihres Fachbereichs - "Fähigkeit", weil "Reife" wie etwas klingt, das von alleine passiert: "Dazu gibt es viel Forschung und auch diagnostische Instrumente, mit denen man kognitive, motorische, motivationale Kompetenzen, aber auch die emotionale Stabilität feststellen kann." Und: "Emotionale Probleme nehmen Kindern Lernzeit weg. Deshalb ist es wichtig, dass die Trias Schulleitung, Kindergartenpädagogik und Eltern wissen, dass auch dieser Bereich für die Schulfähigkeit von großer Bedeutung ist." Die emotionale Entwicklung könnte bei der Schulfähigkeit also eine größere Rolle spielen als bisher.

Riegler-Picker sind solche Vorschläge durchaus willkommen. Er versichert, dass das Pädagogikpaket als Vorhabensbericht zu verstehen ist, "in dessen Weiterentwicklung wir die Schulpsychologie im Haus, aber auch die externe Expertise von Stakeholdern miteinbeziehen werden". Zeit ist dazu allemal: Die neue Schuleinschreibung wird mit dem Schuljahr 2019/20 pilotiert; regulär soll sie ab jenem 2020/21 stattfinden.

Talente-Checks für die Schul- und Berufswahl

Im Paket ist auch von Talente-Checks als Grundlage für die weitere Bildungs- und Berufswahl die Rede. Dazu soll die "informelle Kompetenzmessung" in den dritten Klassen von Volksschule, Neuer Mittelschule und AHS jeweils weiterentwickelt werden. In der Volksschule geht es vor allem um die "soziale Entwicklung", in der siebenten Schulstufe mehr um die Berufsorientierung, auch um praktische Fähigkeiten, erläutert Klemens Riegler-Picker.

Für Herbert Gimpl, den Rektor der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich, ist das etwas "sehr Vernünftiges zu diesem Zeitpunkt. Schließlich muss man Pädagogen und Schülern Zeit geben, Defizite aufzuarbeiten." Und: "Damit nimmt man die Aufgabe der Schule, kompensatorisch zu arbeiten, ernst."

Neue Leistungsbeurteilung in der Volksschule

Weniger begeistert ist Gimpl dagegen von den Vorschlägen zu einer neuen Leistungsbeurteilung an den Volksschulen. Hier ist von einer "Aufwertung der numerischen Beurteilung" bei "gleichzeitiger Beibehaltung der verbalen Beurteilung" die Rede - Noten würden demnach also auch schon in der Volksschule wieder wichtiger werden. Gimpl aber sagt: "Mit Analysen zur Relativität, Wirksamkeit und Treffsicherheit der numerischen Skalierung wurden bereits ganze Bibliotheken gefüllt." Und man habe gute Erfahrung mit Leistungsbeschreibungen gemacht. Der Rektor würde die Entscheidung über Noten und verbale Beurteilung autonom an den Schulstandorten entscheiden lassen.

Weiterentwicklung von Lehrplänen und NMS

Noch wenig Konkretes gibt es zur Weiterentwicklung der Lehrpläne, außer, dass sie in den kommenden beiden Jahren stattfinden und neuen Inhalten wie etwa der Digitalisierung Raum lassen soll.

Außerdem sollen die Neuen Mittelschulen reformiert werden: Sie sollen eine neue Notensystematik, aber auch sogenannte Entwicklungsgruppen in den Kernfächern Deutsch, Mathematik und der ersten lebenden Fremdsprache ab der 7. Schulstufe erhalten. Fördergelder für Schulen sollen individueller vergeben werden. Und Schulen soll mehr Profilbildung ermöglicht werden: Dem Minister schwebt etwa eine musische, sprachliche, sportliche oder auch MINT-orientierte Ausrichtung vor. Wegen solch vager Pläne orten die Oppositionsparteien ein "Ankündigungspaket" im Vorhaben des Ministers. Tatsächlich lässt sich hier noch Unterschiedliches hineininterpretieren.

Elementarpädagogik als Studium?

Parallel dazu stellten die Pädagogischen Hochschulen und Unis in der Steiermark, Kärnten und dem Burgenland ein berufsbegleitendes Studium für die Elementarpädagogik vor. Zielgruppe sind allerdings nur Personen, die einen Kindergarten leiten oder das anstreben.

Für Bildungspsychologin Spiel wäre dagegen die Akademisierung der gesamten Elementarpädagogik wichtig: "Studien zeigen, dass die Förderung in den ersten Lebensjahren den höchsten Return on Investment bringt." Und: "Für das fundierte Erlernen von Entwicklungspsychologie, Pädagogik und Diagnostik bleibt in den fünfjährigen Schulen, die die Schülerinnen und Schüler zugleich auch auf die Matura vorbereiten, zu wenig Zeit."

Eine Diskussion, die laut Riegler-Picker noch geführt werden wird, aber erst "in einem nächsten Schritt" der Bildungsdiskussion- bis dahin geht es um das bereits Vorgelegte.