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Bis 2020 werden in etwa 12,6 Milliarden Euro EU-Förderungen nach Österreich fließen.
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Wien. Der Yppenplatz in Wien hat seit einigen Jahren ein Preisschild. Auf ihm ist zu lesen, dass die Europäische Union für die Umgestaltung des Platzes 351.700 Euro gezahlt hat. Gekostet hat die Erneuerung das Doppelte, die andere Hälfte zahlte die Stadt Wien. Dass die Gemeinde eine Platzverschönerung finanziert, klingt logisch. Aber was hat Brüssel mit einem Platz in Ottakring zu tun?
In gewisser Weise hängt dies damit zusammen, was Europas Staats- und Regierungschefs im März 2000 beschlossen haben: mit der Lissabon-Strategie, in der damals sehr grundsätzliche Ziele der EU bis 2010 definiert wurden, wie und wodurch sich Europa weiterentwickeln sollte (das nun laufende Programm heißt "Europa 2020"). Diese Ziele geben nicht nur den Nationalstaaten den Rahmen vor, an ihnen orientieren sich auch die berühmt-berüchtigten Förderprogramme der Union.
Das gesamte Budget der EU beträgt 960 Milliarden Euro für die kommenden sieben Jahre, wobei rund 70 Prozent von den Nationalstaaten nach Brüssel überwiesen werden. Allerdings bleibt das Geld nicht dort, nur etwa sechs Prozent fließen in die Verwaltung der EU, 80 Prozent dagegen wieder zurück. Auch nach Österreich, auch nach Ottakring.
Österreich ist bekanntlich Nettozahler, einer von elf, zahlt also mehr ein, als dann von der EU überwiesen werden. Allerdings ist die Differenz gemessen am Bruttoinlandsprodukt gering, zuletzt lag sie bei etwa 0,3 Prozent. In absoluten Zahlen schwankt der Nettobeitrag zwischen 417 Millionen und 812 Millionen Euro.
Der Betrag ist jedoch mit einer Fußnote zu versehen. Denn die EU finanziert auch internationale Projekte, beispielsweise in der Krebsforschung, die der Allgemeinheit dienen, sie finanziert grenzüberschreitende Projekte, bei denen zwei oder mehrere Länder profitieren, und es gibt österreichische Unternehmen, beispielsweise die Strabag, die durch EU-Förderungen in anderen Mitgliedsländern Aufträge erhielten.
Mit ihren Förderungen bezweckt die EU dabei nicht viel anderes als Wien im Kleinen mit seinen Stadtentwicklungsprojekten oder Bildungsinitiativen. Ungleichheiten sollen beseitigt werden und benachteiligte Gebiete aufholen. Diese Kohäsionspolitik der EU (oder eben Wiens) wird als Fundament für den Zusammenhalt in Europa gesehen. Der Zusammenhalt wiederum wird als notwendige Basis für die Wirtschaftskraft der Union gesehen.
Burgenland hat anWirtschaftskraft gewonnen
Was hat die EU nun von einem neugestalteten Yppenplatz? Im Idealfall bringt es eine Attraktivierung des gesamten Viertels, neue Unternehmen siedeln sich an, bestehende, zum Beispiel Lokale, profitieren ebenso. Und durch die neue Gestaltung des Platzes entwickelt sich das Zusammenleben der Menschen im Grätzel positiv.
Die EU spricht in so einem Fall von einer integrativen Stadtentwicklungsstrategie, von Projekten, die einen Mehrwert generieren, vor allem einen wirtschaftlichen, da ja auch Beschäftigungspolitik und Wachstum zentrale Ziele der Union sind.
Im größeren Maßstab ist das Burgenland ein Beispiel für die Strukturförderung der Europäischen Union. Mit dem Beitritt Österreichs 1995 wurde das östliche Bundesland zum Ziel-1-Gebiet erklärt, das Bruttoinlandsprodukt des Burgenlands lag damals bei 64 Prozent des EU-Durchschnitts. Seither wurden von der EU 112.000 Einzelprojekte gefördert, kleine Radwege genauso wie große Thermenhotels, Technologiezentren und Kultureinrichtungen.
Das Ergebnis: Das Burgenland verbuchte im Vorjahr mit drei Prozent das größte Wirtschaftswachstum Österreichs, die Arbeitslosenquote ist im Vergleich zu den späten 90er Jahren gesunken, trotz Wirtschaftskrise, und heute liegt das Burgenland beim BIP bei 87 Prozent des EU-Durchschnitts, also besser als 1995.
Österreich verwaltetdrei Töpfe mit EU-Geldern
Deshalb befindet sich das Burgenland auch in der Ausklingphase der Intensivförderung. Bisher kam die EU bei Strukturprojekten für 75 Prozent der Kosten auf, der Rest kam von Bund, Land oder von privater Seite. Für die kommende Förderperiode 2014 bis 2020 wurde der Kofinanzierungsschlüssel auf 60 Prozent gesenkt (im restlichen Österreich liegt er seit jeher bei 50 Prozent). Vor allem aber muss das Burgenland empfindliche Einbußen bei den Mitteln aus dem Strukturtopf Efre (Fonds für regionale Entwicklung) hinnehmen.
Seit der Förderperiode 2000 bis 2007, als das Burgenland noch 271 Millionen Euro erhielt, wurde der Betrag in den folgenden beiden Perioden immer mehr als halbiert. Laut Beschluss der Landeshauptleute erhält das Burgenland deshalb bis 2020 nur mehr 47 Millionen für Strukturprojekte. Aus der gut halben Milliarde Euro im Efre-Fonds werden die Steiermark (130,6 Millionen Euro) und Niederösterreich (122,8 Millionen Euro) erhalten, auf Wien entfallen knappe 25 Millionen Euro bis 2020.
Der Fonds für regionale Entwicklung ist dabei einer von drei großen Töpfen mit EU-Geld, die Österreich selbst verwaltet. Die anderen sind der Europäische Sozialfonds ESF und der Fonds Eler für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung. Österreich stehen in diesen drei Töpfen bis 2020 rund fünf Milliarden Euro zur Verfügung, wobei diese nur anhand von klar definierten Kriterien vergeben werden können. Und erst nach Projektende überweist die EU das Geld.
Die Anforderungen und das gesamte Abwicklungssystem sind über die Jahre immer komplexer und rigider geworden, nicht zuletzt deshalb, da immer wieder auch kuriose Fördervergaben publik wurden, etwa die fast schon legendäre Kofinanzierung für eine Skipiste in Dänemark auf einem kleinen Hügel. Allerdings sind in erster Linie die Nationalstaaten selbst für die Fördervergabe zuständig, die EU kann nicht jedes einzelne Projekt prüfen, sie tut dies nur stichprobenartig.
Das meiste Geld fließt inländliche Regionen
Sollte sich also zum Beispiel irgendwann herausstellen, dass die Revitalisierung des Yppenplatzes in Wien keinen Mehrwert generiert hat, ist so gesehen auch die Stadt Wien primär dafür verantwortlich und nur indirekt die EU. Vielleicht hat sie in ihren Kriterien zu viel Spielraum gelassen, bewilligt hat das Projekt aber Wien, das auch die Hälfte zahlte.
Es gibt allerdings auch EU-Förderungen, die direkt aus Brüssel nach Österreich fließen. Darunter fallen Gelder aus dem Infrastrukturprogramm TEN, mit denen in Österreich Häfen oder Bahntrassen ausgebaut wurden, das Erasmus-Programm für Studenten und Forschungsförderungen.
Im Vergleich zu anderen Mitgliedsstaaten verwaltet Österreich relativ wenig Geld selbst, rund 40 Prozent, doch das hängt damit zusammen, dass der Entwicklungsgrad des Landes ein sehr hoher ist. Die Efre-Gelder für regionale Entwicklung sind zuletzt stets rückläufig gewesen, und auch aus dem Sozialtopf ESF wird bis 2020 weniger fließen, rund 450 Millionen Euro bis 2020.
Der größte Förderbetrag, er macht etwa 70 Prozent aus, entfällt in Österreich auf den Bereich Landwirtschaft und ländliche Entwicklung. In der kommenden Periode ist mit circa vier Milliarden Euro zu rechnen, die in diesen Bereich fließen. In gewisser Weise geht es auch bei dieser Art der Förderung um die Verringerung von Ungleichheiten. In ländlichen Regionen ist praktisch überall das Durchschnittseinkommen pro Kopf niedriger als in Städten, die Qualifizierung der Arbeitskräfte geringer ausgeprägt und zudem ist der Dienstleistungssektor weniger entwickelt.
Die EU will dem entgegenwirken, und das nicht nur durch Subventionierung der Landwirtschaft. Wobei Österreich in der Union durch seine Topografie ein Spezifikum darstellt. Rund zwei Drittel der landwirtschaftlich genutzten Flächen liegen in Gebieten, die die EU als benachteiligt bewertet, hierzulande vor allem die alpinen Regionen. Bergbauern erhalten Ausgleichszulagen, abhängig davon, wie schwierig und aufwendig ein Gelände zu bewirtschaften ist.
Mit ihren Förderungen will die EU auch eine Dynamik bremsen, dass rurale Gegenden für die Menschen immer unattraktiver werden. Die Folgen wären nicht nur der Verlust von Kulturlandschaften und Identität, auch die Städte hätten ganz andere Herausforderungen zu bewältigen, wenn der Zustrom noch größer wäre.
Agrar-Fördertopf bleibtauch weiterhin gut gefüllt
Die hohen Förderungen, die zudem nur zum Teil den ländlichen Strukturwandel unterstützen, sorgen innerhalb der EU immer wieder für Kontroversen. Dabei geht es einerseits um die Gewichtung, ob mehr Geld in die Erhaltung von Kulturlandschaften oder doch in die klassische Landwirtschaft fließen sollen, andererseits wird auch ganz generell um den hohen Anteil dieser Position am EU-Budget gestritten.
Die Conclusio der Debatten im Vorjahr, als sich die Staats- und Regierungschefs auf einen Haushalt einigten: Die Struktur bleibt unverändert, alles läuft wie bisher, und auch der österreichische Eler-Topf bleibt mit etwa vier Milliarden Euro gut gefüttert. Nur insgesamt gibt es etwas weniger Geld. Erstmals hatte die EU ihr Budget gekürzt, wobei Österreich sogar um 100 Milliarden Euro weniger gefordert hatte.
In der heuer beginnenden Förderperiode will die EU die Projekte noch nachhaltiger gestaltet wissen. Und sie sollen noch integrativer sein, also idealerweise aus mehreren Fonds bedient werden, um den Mehrwert zu erhöhen. Wie zum Beispiel ein Lerncafé. Am Yppenplatz.