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Ein bisschen Dolce Vita in Wien

Von Bernd Vasari

Politik
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"Es geht einfach ums Reden, egal wie gut man die Sprache kann."
© Stanislav Jenis

Jede Woche parliert man im Café in 15 verschiedenen Sprachen.


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Wien. Das Publikum ist bunt gemischt, die Sprachen ebenso: Zugewanderte und Nicht-Zugewanderte, Studierende und Arbeiter, junge Mütter und Väter oder Senioren kommen hierher, um miteinander in Sprachen wie etwa der Gebärdensprache, Esperanto, Farsi, Spanisch oder Deutsch zu plaudern, oder diese zu lernen bzw. aufzufrischen. Bis zu 15 Tische werden jeden Mittwoch von 17 Uhr bis 20 Uhr mit Kärtchen bestückt, auf denen die offizielle Tischsprache notiert wird. An jedem Tisch wird eine andere Sprache gesprochen.

Anfangs traf man sich einmal im Monat, seit März finden die Treffen am Einsiedlerplatz 5 im 5. Bezirk wöchentlich statt. Gegründet wurde das Kontaktepool-Sprachencafé im Rahmen der Langen Nacht der Sprachen am 26. September 2012. Die Gratis-Veranstaltung sprach sich schnell herum, heute kommen jeden Mittwoch etwa 70 Personen.

Italienisches Flairam Einsiedlerplatz

"Das Sprachencafé erinnert mich an meine Zeit in Italien", sagt eine Teilnehmerin. Es ist bereits nach 20 Uhr und auf dem Italienisch-Tisch wird noch immer leidenschaftlich diskutiert. Ich mag diese Mentalität, sagt die 58-Jährige, die im Winter seit "Ewigkeiten" wieder einmal in Italien war. Im vergangenen Jahr hatte die Therapeutin und Lehrerin ein Burnout. Die Einladung als "Housekeeperin" für einen Monat auf ein Haus am Meer in der Nähe von Triest aufzupassen, kam ihr daher sehr gelegen, um etwas Abstand von ihrem alltäglichen Umfeld zu gewinnen. "Ich habe mich dort so wohl gefühlt aufgrund des italienischen Ambientes", erzählt sie. Triest sei eine entspannte Stadt. Es gäbe viele Bars und vor dem Abendessen gehe man noch auf einen Aperitivo, ein vorabendliches Treffen, wo Häppchen und Wein oder Campari serviert werden. Darüber hinaus seien die Menschen gut gekleidet, "irgendwie unaufgeregt, kultiviert aber nicht übertrieben." Seit ihrem Aufenthalt versucht sie auch in Wien so viel Italien wie möglich zu bekommen, der Italienisch-Tisch beim Sprachencafé ist nun ein Teil davon.

Kommunikationauf Augenhöhe

Entstanden ist das Sprachencafé aus dem Kontaktepool Wien, einem anderen Projekt des Vereins Station Wien. Der Kontaktepool vermittelt Kontakte zwischen Menschen verschiedener Herkunft für gemeinsame Freizeitaktivitäten, oder eben Sprachlernteams. Angeregt durch das Sprachencafé in Bratislava, das seit 2008 erfolgreich läuft, hat sich Station Wien zur Umsetzung des Kontaktepool-Sprachencafés in Wien entschieden, erklärt die Projektkoordinatorin Barbara Niklas. "Das Angebot wird sehr gut angenommen und bisher waren die Räumlichkeiten, die auch für Deutschkurse genutzt werden, immer ausgelastet", sagt sie. Die Menschen seien sehr aufgeschlossen. Man kommuniziert auf derselben Augenhöhe: "Es geht einfach ums Reden, egal wie gut oder schlecht man die Sprache kann", betont Niklas.

Die Motivationen, um das Sprachencafé zu besuchen, seien sehr unterschiedlich: Viele wollen ihre Französisch- oder Italienischkenntnisse aus der Schule aufbessern, andere wollen ein paar Sätze für den kommenden Urlaub lernen. Es komme auch immer wieder eine türkische Frau vorbei, die Arabisch lernen möchte, um den Koran zu verstehen, erzählt die Projektkoordinatorin.

Erstmals konnte man nun aufgrund des schönen Wetters auch einige Tische vor das Lokal stellen. Nicht selten wurde so mancher Passant neugierig und setzte sich zu einem Tisch. "Ich bin hier zufällig vorbeispaziert", so ein Bosnier, der seit September in Wien lebt. Der 27-jährige Ingenieur möchte besser Deutsch sprechen. Das Sprachencafé biete ihm dazu eine gute Möglichkeit. Weiters kann man so neue Menschen und verschiedene Mentalitäten kennenlernen, sagt er.

Profis und Anfänger sind gleichermaßen willkommen

Neben dem Deutsch-Tisch wechselt der Ingenieur auch immer wieder zu anderen Tischen. Um verschiedene Meinungen austauschen zu können, sei es wichtig verschiedene Sprachen zu können, ist er überzeugt: "Nur wenn du eine Sprache kannst, wirst du Menschen auch verstehen können."

Auch Katharina Kurzmann, Mitarbeiterin im Sprachencafé, wechselt gerne von Tisch zu Tisch. Für sie hängt es sehr stark vom Moment ab, an welchem Tisch sie Platz nimmt. Oftmals hätte sie spontan Lust, etwa ein paar türkische Wörter zu lernen.

Obwohl das Sprachenniveau der Tische recht hoch sei, kann man auch als Anfänger vorbeikommen, sagt Barbara Niklas. "Da man ja schwer zu zehnt reden kann, bilden sich am Tisch sowieso meist kleine Grüppchen heraus." Während die einen plaudern, wird einem anderen etwa die Struktur im Satz erklärt. Kurzmann fügt hinzu, dass Zettel und Stifte zwar am Tisch liegen würden, aber kaum wer davon Gebrauch mache. Es gehe ums Lernen im Gespräch und nicht durch Aufschreiben. Man würde wahrscheinlich auch nicht mehr mitkommen: "Bis man alles aufgeschrieben hat, ist das Gespräch auch schon wieder woanders."

Durch das Sprachencafé soll die kulturelle Vielfalt Wiens wertgeschätzt und erfahrbar gemacht werden, sagt Niklas. Hier werde Mehrsprachigkeit positiv anerkannt und als Bereicherung verstanden, fährt sie fort.

Bosnisch/Kroatisch/Serbisch hört man etwa jeden Tag in Wien. Viele Menschen würden vorbeikommen, weil sie diese Sprache dann auch verstehen wollen. Diese Toleranz gegenüber Sprachen sei leider aber nicht immer gegeben, ergänzt Katharina Kurzmann: "Bei uns ist es normal, wenn man viele Sprachen kann, in der Schule sei es dagegen wie eine Krankheit, wenn jemand eine andere Erstsprache als Deutsch spricht."

Jeden Mittwoch: 17:00-20:00 Uhr
ausgenommen Ferienzeiten
Einsiedlerplatz 5, 1050 Wien
Eingang Gießaufgasse
http://www.stationwien.org/spracafe.htm