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Ein bisschen Liberalismus schadet nicht

Von Walter Hämmerle

Politik

Molterer: Für 2007 und 2008 kommt ein Doppelbudget. | "Nur jeden zweiten Dienstposten nachbesetzen". | "Sparkurs gilt auch für Länder und Gemeinden." | "Wiener Zeitung":Der Budgetfahrplan der Regierung bis 2010 sieht für heuer Einsparungen von 820 Millionen Euro vor, davon entfallen 620 Millionen auf den Bund. Nur: Woher nehmen und nicht stehlen?


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Wilhelm Molterer: Als Finanzminister bin ich der Hüter des Geldes der Steuerzahler, deshalb verfolgt diese Regierung einen sehr restriktiven Budgetkurs. Ich werde für heuer und 2008 ein Doppelbudget vorlegen. Klar ist, dass vom ersten Tag an nur jeder zweite Dienstposten in allen Bereichen bei Abgängen in die Pension nachbesetzt wird - auch wenn wir natürlich Schwerpunkte setzen werden. Sehr restriktiv wird auch bei den Budgetbindungen vorgegangen. Hier wird es intensive Gespräche mit jedem meiner Ministerkollegen geben. Das Gute am Regierungsübereinkommen ist, dass jetzt alle wissen, woran sie sind. Denn alles, was wir jetzt nicht tun, wird uns am Ende bei der Steuerreform fehlen.

Wird sich durch das Doppelbudget etwas an den Sparzielen heuer und 2008 ändern?

Nein, aber ein Doppelbudget ist von Vorteil, weil wir den Haushalt für die kommenden beiden Jahre als Einheit betrachten müssen. Heuer haben wir ja nur mehr ein Rumpfbudget. Dann müssen wir entscheiden, wie wir in den Jahren 2009 und 2010 vorgehen: Ein Aspekt ist hier die Steuerreform - mein Plan wäre es, diese 2009 zu beschließen, damit sie 2010 in Kraft treten kann.

Kommt für diese beiden Jahre wieder ein Doppelbudget?

Das ist eine Möglichkeit, es kommt darauf an, wann genau wir die Steuerreform beschließen. Der andere Aspekt ist die Frage des Finanzausgleichs. Hier halte ich die Idee des Vorarlberger Landeshauptmanns, mit den Verhandlungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden nicht bis zum letzten Augenblick zu warten, für sehr interessant. Dazu müssen wir aber zunächst wissen, was die Ergebnisse der Verwaltungsreform sein werden. Zentral ist aber, dass die Länder und Gemeinden in gleicher Weise den Budgetkurs der Regierung mittragen.

Wie will der Bund diese 620 Millionen Euro einsparen?

Das werde ich Ihnen jetzt sicher nicht präsentieren, sondern zuerst meinen Kollegen und Kolleginnen. Dazu bedarf es zweifellos noch intensiver Gespräche. Aber damit kein Zweifel entsteht: Für mich gilt das Vereinbarte, das Prinzip Pacta sunt servanda gilt nicht nur für hoheitlich abgeschlossene Verträge, sondern auch für das Regierungsübereinkommen. Einfacher ausgedrückt: Was liegt, das pickt!

Das Koalitionsabkommen sieht vor, beginnend mit 2008 die Gebühren künftig jährlich zu valorisieren. Wie viele Milliarden werden dadurch mehr in die Kassen des Finanzministers fließen?

Ich wäre ein schlechter Finanzminister, wenn ich das nicht einschätzen könnte, aber ich führe mit Ihnen jetzt keine Budgetverhandlungen. Mir geht es um das Prinzip: Bürger und Unternehmen erwarten vom Staat erstklassige Dienstleistungen. Es ist ehrlicher, die Gebühren jährlich anzupassen als alle paar Jahre die Diskussion über Riesensprünge zu führen. Gleichzeitig ist es aber auch notwendig, dass der Staat selbst spart.

Ausgenommen von der Erhöhung sind 2008 die Studiengebühren. Bleiben Studenten auf längere Zeit von Erhöhungen befreit?

Zunächst einmal: Die Studiengebühren sind richtig und sozial gerecht. Jetzt konzentrieren wir uns auf die notwendigen Abfederungen bei Stipendien. Ich halte auch das nun gefundene Modell freiwilliger Sozialdienste für richtig: Es schafft Wahlfreiheit und stellt die Verantwortung für die Gemeinschaft sicher. Dieses Prinzip gilt auch bei der Mindestsicherung, auf die nur Anspruch hat, wer auch arbeitswillig ist.

Seit Jahren verspricht die Politik eine Entlastung des Faktors Arbeit. Jetzt ist man mit der Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge um 0,15 Prozent wieder den umgekehrten Weg gegangen. Kommt die Entlastung wenigstens 2010?

Das streben wir an, ja, aber wir wollen auch die Steuerentlastung ohne Gegenfinanzierung schaffen.

Wer soll, geht es nach der ÖVP, 2010 entlastet werden?

Wir haben zwei große Ziele: Die Erhöhung der Kaufkraft für den Mittelstand, wobei auch nicht auf die Leistungsträger vergessen werden darf. Ansonsten besteht nämlich die Gefahr, dass immer mehr Last auf immer weniger Schultern verteilt wird. Unser zweites Ziel ist, über die Steuerreform Unternehmen zur Vollbeschäftigung zu motivieren. Hier werden die Lohnnebenkosten sicher ein Thema sein, wobei ich dafür bin, bei den einzelnen Problemgruppen - ältere Arbeitnehmer und ganz Junge - direkt anzusetzen.

Geht es nach der Koalition schreiben die Sozialversicherungen heuer zum letzten Mal ein Minus, ab 2008 soll ausgeglichen bilanziert werden. Wie soll das gehen?

Wir haben 300 Millionen Euro für dieses Ziel festgelegt. Wir haben uns für einen Doppelweg entschieden: Die Hälfte dieser Summe müssen die Sozialpartner, die ja die Sozialversicherung in Selbstverwaltung tragen, durch Einsparungen, Selbstbehalte aufstellen - im Gegenzug sind wir bereit, die Beiträge um 0,15 Prozent zu erhöhen. Das ist eine faire Teilung der Verantwortung.

Seit dem 11. Jänner sind Sie auch geschäftsführender Obmann der ÖVP. Wer folgt Reinhold Lopatka als Generalsekretär nach?

Diesbezüglich ist mein Name Auster, und Austern sind verschlossen.

Am Montag referiert in Wien der neue konservative Ministerpräsident Schwedens über Herausforderungen für christdemokratische Parteien. Kommt jetzt die Sozialdemokratisierung der ÖVP?Gerade Schweden zeigt, wie gut eine bürgerliche Kurskorrektur einem sozialdemokratischen Land tut. Die Kernaufgabe, die Josef Pröll mit der ÖVP-Perspektivengruppe übernommen hat, ist, in aller Offenheit Fragen zu stellen. Etwa wie reagieren Christdemokraten auf die neue Arbeitswelt. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Teilhabe der Arbeitnehmer an der Produktivitätssteigerung über eine sozialpartnerschaftliche Lohnpolitik nicht mehr sichergestellt ist. Hier müssen wir über neue Modell der Ertragsbeteiligung für Mitarbeiter nachdenken.

Auch Integration bleibt auf Jahre zentrales Thema: Wie schaffen wir es, Toleranz zu bewahren, und gleichzeitig die Spielregeln für Integration - die Wertebasis einer Gesellschaft - sicherzustellen. Beim Thema Generationengerechtigkeit ist noch viel zu wenigen bewusst, dass in wenigen Jahren die Transferleistungsbezieher die Mehrheit stellen. Das war für mich mit ein Grund, Wählen mit 16 zu ermöglichen.

Gilt das auch für das hochemotionale Thema Familie?

Selbstverständlich, aber nicht ohne zu sagen, dass die Ehe für uns ein zentrales Gut ist - ohne jedoch andere Partnerschaftsformen zu diskriminieren.

Andrea Kdolsky, die neue ÖVP-Gesundheitsministerin, wird aus den eigenen Reihen für ihre Aussagen zu Kindern und Müttern kritisiert.

Da können Sie schon sehen, dass ich ein sehr buntes Team ausgesucht habe. Aber um eines klar zu sagen: Wer Andrea Kdolsky angreift, bekommt es mit mir zu tun. Ich respektiere ihren persönlichen Lebensweg, Kinderlosigkeit ist nicht immer frewillig.

Die SPÖ will Alfred Gusenbauer als Volkskanzler positionieren. Was setzen Sie dem entgegen?

Ich sitze ja schon länger am Fluss und habe schon einige Indianer-Häuptlinge vorbei schwimmen gesehen. Deshalb meine Beobachtung: Solche medialen Etikettierungen können sich schnell ins Negative drehen. Ich bin überzeugt, dass in der Politik das höchste Gut die persönliche Glaubwürdigkeit ist. Das ist mein Weg.

In Ihrem Vorzimmer wird noch immer die Vorliebe Ihres Vorgängers Karl-Heinz Grasser für liberale Ökonomen deutlich: Lauter Bücher von und über Hayek, von Mises und Schumpeter. Werden Sie diese durch Werke christdemokratischer Vordenker austauschen?

Auf keinen Fall. Ein bisschen Liberalismus schadet diesem Land auf keinen Fall. Außerdem scheinen Sie zu vergessen, dass die ÖVP immer schon auch starke liberale Wurzeln hatte.