Ein Fest der Gemeinsamkeit soll der Europatag sein. Doch gerade vielen Osteuropäern ist nicht zu verdenken, dass sie sich als EU-Bürger zweiter Klasse fühlen.
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Es wird sicher sehr schön werden. Wenn am Montag der Europatag begangen wird, die Europahymne erklingt, die Europafahne weht und wir daran erinnert werden, dass wir alle Europäer sind, soll es festlich zugehen.
Und es gäbe ja tatsächlich etwas zu feiern. Wer als Kind mit den Eltern im Auto zehn Stunden lang im tiefsten Winter an der tschechisch-polnischen Grenze warten musste und nicht einmal daran denken durfte, wie dringend es wäre auszusteigen, weiß zumindest den Wegfall der Grenzkontrollen zu schätzen. Dass Polen oder Tschechien einmal der Europäischen Union - oder, noch unfassbarer: der Nato - angehören werden, schien vor 30 Jahren ähnlich undenkbar wie vor 70 Jahren die Idee, dass Deutschland und Frankreich wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg eine enge Wirtschaftsgemeinschaft eingehen werden.
Die Sympathie für die EU ist in weiten Teilen Osteuropas daher noch immer höher als in vielen westeuropäischen Ländern. Klar hat dabei auch Geld, das in Form von EU-Förderungen in bisher vernachlässigte Regionen fließt, eine Bedeutung - wobei die westeuropäischen Staaten nicht das Recht haben, in die Rolle des Gönners zu fallen, der der armen Cousine aus dem Osten ein paar Scheine zusteckt.
Doch gibt es da auch noch etwas anderes. Ein paar Menschen noch wollen sich ihren Glauben - oder auch ihre Naivität - nicht rauben lassen, dass die EU mehr ist als eine Wirtschaftsunion. Dass es da ebenso um eine Vision des gemeinsamen Wachsens und Fortschritts, der Werte und Grundfreiheiten geht.
Auf der anderen Seite wächst die Skepsis darüber. In Österreich etwa sieht laut einer Umfrage nur jeder Vierte im Zusammenwachsen des Kontinents eine Chance für die Zukunft. Und der Gedanke der Solidarität? Lediglich jeder Dritte stimmt der Aussage zu, dass sich die Länder gegenseitig unterstützen müssen, wenn sich die EU weiterentwickeln soll.
Dass die Werte der EU vielleicht in der Theorie aber nicht immer in der Praxis hochgehalten werden - darüber könnten sich gerade etliche Osteuropäer beklagen. Denn das Gefühl, als EU-Bürger zweiter Klasse behandelt zu werden, ist so manchem nicht zu verdenken. Sie könnten gleich mehrere Beispiele dafür nennen:
* Niederlassungsfreiheit?
Frankreich aber auch andere Länder wie Italien weisen hunderte von Roma aus.
* Reisefreiheit?
Das Schengen-Abkommen über den Wegfall von Grenzkontrollen in weiten Teilen der EU soll modifiziert werden.
* Bewegungsfreiheit auf dem Arbeitsmarkt?
Polen, Tschechen, Slowaken, Ungarn, Slowenen, Litauer, Letten und Esten mussten sieben Jahre nach ihrem EU-Beitritt darauf warten, dass sie auch in Österreich und Deutschland ohne Einschränkungen legal arbeiten dürfen. Rumänen und Bulgaren müssen weiter ausharren.
* Beitrittsperspektiven?
Nicht nur die EU-Ambitionen der Türkei sehen viele Westeuropäer mit Unbehagen. Auch Länder wie Serbien lösen als potenzielles Unionsmitglied Skepsis aus. Bereits die Abschaffung des Visumzwangs für manche Staaten des Westbalkans sorgte für Debatten. Schon wünscht sich Belgien die Aufhebung der Visa-Freiheit, weil es den Andrang von falschen Asylwerbern aus Serbien ortet.
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Mit ihrer Erweiterung hat die EU auch ein paar begeisterte Bürger gewonnen. Ob sie sie wieder verliert, scheint die meisten nicht zu interessieren.