Die christliche Hardlinerin Gudrun Kugler zieht dank Vorzugsstimmen in den Gemeinderat ein.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Was bunt ist, obliegt unterschiedlichen Deutungen. Die Grünen in Wien reklamieren Buntheit ebenso für sich wie die SPÖ, die im Wahlkampf Wien stets als weltoffene, bunte Stadt beschrieb, die auch genauso bleiben solle. Doch auch ÖVP-Kandidatin Gudrun Kugler will der Wiener Politik "mehr Farbe" verleihen, wie sie sagt. Grüne und SPÖ würden Kugler wohl aber jeglichen Anspruch auf Buntheit absprechen. In gesellschaftspolitischen Themen steht sie als betont christliche Politikerin auf der diametral anderen Seite der Diskussion, etwa bei den Themen Familie, Sexualität und Abtreibung.
Kugler hat den Sprung in den Gemeinderat mit ihren 2276 Vorzugsstimmen geschafft. Das ist zwar weniger, als es die Wahlordnung verlangt, doch die ÖVP hatte bewusst niedrigere Hürden angesetzt. Dass eine ÖVP-Politikerin christlich ist, ist nun prinzipiell nicht überraschend, Kugler aber akzentuiert dies in ihrem gesamten Wirken - auch beruflich. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie eine Dating-Plattform für katholische Singles (www.kathtreff.org) gegründet. Dazu bietet sie Consulting für NGOs an, die jedoch auch fast ausnahmslos christliche NGOs sind.
Grüne Vergangenheit
Mit einer gewissen Buntheit, im parteipolitischen Sinn, kann Kugler aber jedenfalls aufwarten. Als Jugendliche nämlich war sie eine Grüne, wenn auch nicht Mitglied, "aber im Umfeld", wie sie erzählt. "Ich bin auch in einem antireligiösen Haushalt aufgewachsen." Nach der Schulzeit hat sich Kugler dann der christlichen Religion zugewandt. Heute, mit 39 Jahren, vertritt sie eine sehr konservative christliche Linie. Und sie macht diese auch zu ihrer politischen Agenda.
Schon vor zehn Jahren kandidierte sie auf einem hinteren Listenplatz für die ÖVP, was für Aufregung sorgte. Die damalige Frauenstadträtin Sonja Wehsely forderte den damaligen Spitzenkandidaten der Volkspartei, den nunmehrigen EU-Kommissar Johannes Hahn auf, die "in der radikalen AbtreibungsgegnerInnen-Szene nachweislich fest verankerte" Kugler von der Liste zu streichen.
Sich selbst sieht Kugler ganz und gar nicht als radikal in ihren Ansichten. "Ich habe das Gefühl, dass ich jeden einzelnen Menschen davon überzeugen muss, dass ich keine gefährliche Person bin", sagt Kugler. Das von ihr in der Öffentlichkeit gezeichnete Bild verzerre. "Wenn ich von mir in der Zeitung lese, kriege ich ja vor mir selbst Angst", sagt sie.
Sie vertrete auch in der ÖVP keine Minderheitsmeinung, sagt Kugler. "Im Grundsatzprogramm steht drin, dass wir den Schwangerschaftsabbruch ablehnen und wir alles tun müssen, dass es nicht so weit kommt. Wir haben eines der liberalsten Abtreibungsgesetze, das finde ich nicht gut."
Kugler liegt freilich nicht immer auf Linie mit der gesamten Partei. Als in diesem Jahr wieder über eine Gleichbehandlungsnovelle debattiert wurde, die den Diskriminierungsschutz auf Religion und sexuelle Orientierung ausweitet ("Levelling Up"), lobbyierte Kugler massiv dagegen, obwohl sich Familienministerin Sophie Karmasin dafür aussprach. Am Ende scheiterte die Novelle an den Widerständen in der ÖVP.
Liegt sie mit ihren gesellschaftspolitischen Kernthemen mittlerweile nicht näher an der FPÖ? Schließlich sind es in erster Linie die Freiheitlichen, die offensiv gegen Homo-Ehe, Abtreibung und "Gender-Wahl" agitieren und das Christentum vor sich hertragen. Die ÖVP tut dies weitaus weniger und ist eher bemüht, diese Streitthemen, wenn möglich, zu umschiffen.
Froh über Kugler
Kugler muss etwas länger nachdenken. "Ich bin froh über jede Partei, die meiner Meinung ist. Die FPÖ kommt aber aus anderen Gründen zur gleichen Meinung." Für Kugler steckt dahinter politisches Kalkül, und der christliche Begriff der Nächstenliebe sei auch etwas anderes als das, was die FPÖ darunter verstehe.
Über den neuen ÖVP-Chef in Wien, Gernot Blümel, freue sie sich. "Er hat innovative Ideen für die Struktur." Im Gemeinderat will sie sich primär Familienfragen widmen sowie dem Schutz "am Anfang und Ende des Lebens". Das heißt: Familien sollen finanziell entlastet werden, pro Kind will Kugler - sie selbst ist vierfache Mutter - 7000 Euro Steuerfreibetrag. Zudem soll ein Hilfsfonds für Mütter und deutlich mehr Hospizplätze installiert werden. Mehr Ausgaben, weniger Einnahmen, und dazu will Kugler noch Wiens Schulden abbauen. Wie geht sich das aus? "Durch Einsparungen in der Verwaltung, im Gesundheitswesen und beim Wohnbau", sagt Kugler.
Mit den Grünen teilt sie heute nichts mehr. "Die Grünen reagieren auf meine Argumentation immer mit persönlichen Angriffen, meine Argumente hören sie sich gar nicht an."