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Ein "bisserl foltern" in Italien

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Folter soll in Italien künftig nur noch verfolgt werden, wenn "Gewalt oder schwere Drohungen wiederholt angewendet werden". Das sieht ein am Freitag der Vorwoche vom italienischen Abgeordnetenhaus verabschiedeter Gesetzesänderungsantrag vor, der von der Fraktion der Lega Nord eingebracht und von fast allen Regierungsabgeordneten unterstützt worden war, aus Angst vor einem Auseinanderbrechen der Koalition.


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Der skandalöse Antrag war mit 201 Stimmen bei 176 Gegenstimmen und zwei Enthaltungen angenommen worden. Die Oppositionsabgeordneten hatten daraufhin den Parlamentssaal verlassen. Von den Abgeordneten der Regierungsparteien haben nur Bobo Craxi, der Sohn des früheren SP-Chefs und ein Christdemokrat gegen den Antrag gestimmt. Ein weiterer Christdemokrat und ein Abgeordneter von Berlusconis Forza Italia (FI) enthielten sich der Stimme.

Inzwischen ist aber auch bei den Abgeordneten der Regierungskoalition der Katzenjammer ausgebrochen. Der Präsident des Justizausschusses, FI-Abgeordneter Gaetano Pecorella, gab zu, dass man eigentlich gegen den Antrag der Lega Nord gewesen sei, dass man aber zugestimmt habe, um das Regierungsbündnis nicht zu gefährden. Nach manchen Berichten sollen die Abgeordneten des nach einem schweren Herzanfall noch immer rekonvaleszenten Umberto Bossi damit gedroht haben, dem umstrittenen Rundfunkgesetz, das Berlusconis Interessen wahren soll, nicht zuzustimmen, wenn nicht ihr Vorschlag angenommen wird. Jetzt bemüht man sich auf Regierungsseite zu retten, was zu retten ist. Das Gesetz soll noch einmal abgeändert werden und die "Wiederholung" soll sich künftig nur auf die "schweren Drohungen" beziehen, nicht aber auf direkte Gewaltanwendung.

Der christdemokratische Europaminister Rocco Buttiglione, der zum Zeitpunkt der Abstimmung nicht im Parlament war, sprach von einem "bedauernswerten Unfall" und einem "schrecklichen Ausrutscher", der korrigiert werden müsse. Der gleichen Meinung ist auch der christdemokratische Fraktionschef Luca Volonte. Und der Präsident des Regionalparlaments von Latium, der Postfaschist Francesco Storace, sprach gegenüber der Zeitung "la Repubblica" von einer "Ekelhaftigkeit" der Lega Nord.

Der dieser politischen Gruppierung angehörende Justizminister Roberto Castelli sieht in der ganzen Angelegenheit dagegen eine "Aufbauschung durch die Linke, auf die auch Abgeordnete der Rechten hineingefallen seien". Sinn des Gesetzes sei es, die Arbeit der Polizei zu erleichtern.