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Nach ihrem erfolgreichen Einsatz in familienrechtlichen Konflikten kann Mediation seit Mitte dieses Jahres zur außergerichtlichen Streitbereinigung im gesamten zivilrechtlichen Bereich herangezogen werden. Dafür gelten ab 2005 auch neue Regeln in der Mediatorenausbildung. Beides löste heuer einen wahren Boom an frisch ausgebildeten Streitschlichtern aus. Hält die Mediation, was sie verspricht?
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"Ein Mediationsverfahren ist wie Homöopathie - die Eigenkraft von Konfliktparteien, selbst die Lösung für ihr Problem zu finden, wird gestärkt", meint Dieter Hauser, Rechtsanwalt bei der Wiener Kanzlei Mathes & Strobl. Der Advokat ist erst seit wenigen Tagen frischgebackener Mediator, sein Motiv für die aufwändige 200-stündige Ausbildung bei der Anwaltlichen Vereinigung für Mediation und kooperatives Verhalten (AVM): "Ich habe im Lauf meines Berufslebens in manchen Situationen feststellen müssen, dass ein anderer Weg als die gerichtliche Entscheidung so manche Streitigkeit besser klären hätte können." Denn das juridische Verfahren verhärtet nicht selten die Probleme. Dem gegenüber gibt die Mediation Raum, holt die hinter den Ansprüchen wirkenden Bedürfnisse ans Tageslicht und zielt in die Zukunft.
Galt die Ausbildung zum Streitschlichter früher als Domäne psychosozialer Berufe, besuchten in den letzten Jahren immer mehr Anwälte, Notare, Richter sowie Steuer- und Unternehmensberater derartige Lehrgänge. Zum Boom wurde die Ausbildung zum Mediator allerdings im heurigen Jahr: "Wir haben in den letzten drei Monaten an die 800 neue Mitglieder aufgenommen", weiß Karin Schuhmann-Hommel, Bundessprecherin des Österreichischen Bundesverbandes der MediatorInnen (OEBM), womit die Organisation nun "insgesamt 1.700 bis 1.800" Streitschlichter zählt. Auch Reinhard Hinger, im Justizministerium für die Mitte dieses Jahres eingerichtete Mediatoren-Liste zuständig, berichtet von einer Welle an Eintragungswilligen. Insgesamt soll es in Österreich - laut Recherche des Netzwerks Mediation bei den Ausbildungsinstituten - mit Ende dieses Jahres 3.000 ausgebildete Mediatoren geben.
Die Gründe für diesen Anstieg liegen vorrangig in der steigenden Akzeptanz der außergerichtlichen Streitklärung durch staatliche Institutionen sowie in deren ab 2005 geltenden umfangreicheren Ausbildungserfordernissen für Mediatoren. So führen sowohl das Sozial- und Konsumentenschutzministerium (BMSG) als auch das Justizministerium bereits Listen mit eingetragenen Mediatoren, auf die im Bedarfsfall zugegriffen wird.
Familienmediation
Vorreiter ist das BMSG, wo Mediation im Familienrecht nach erfolgreichen Pilotprojekten seit dem Jahr 2000 gefördert wird. In der sogenannte "FLAG-Mediatorenliste" finden sich Teams mit jeweils einem Schlichter mit psychosozialer Ausbildung und einem Juristen. Die Kosten: 181 Euro pro Stunde abzüglich der Förderung. An die 300 solcher Tandems sind zur Zeit eingetragen. Richtig angenommen wurde das Angebot von Streitparteien erst 2003, heißt es aus dem BMSG. Und auch dieses Jahr sei der Anteil jener Paare, die - je nach Einkommen - auf geförderte Konfliktlösungen zurückgegriffen haben, auf gleich hohem Niveau. Gespeist wird die Liste ausschließlich mit Mediatoren aus fünf Berufsvereinen, wozu auch der OEBM gehört: "Österreichweit wurden heuer ca. 380 geförderte Mediationen abgerechnet", weiß Schuhmann-Hommel.
Mediation im Zivilrecht
Rechtsgrundlage für das neue Angebot sind das Zivilrechts-Mediationsgesetz sowie die Zivilrechts-Mediations-Ausbildungsverordnung, (beide seit 1. Mai 2004 in Kraft). Über ersteres strahlt die Möglichkeit zum Einsatz dieser Schlichtungsmöglichkeit nun in das Zivilrecht ein und öffnet ein weites Anwendungsfeld - von arbeitsrechtlichen Konflikten bis hin zum Wohnrecht. Erich Michael Stormann aus der Zivilrechtssektion des Justizministeriums warnt jedoch vor übertriebener Euphorie: "Ist ein Fall einmal vor Gericht, sinkt tendenziell die Chance, dass eine Mediation gelingt."
Neues Nachbarrecht
Zugewiesen werden die Fälle vom jeweiligen Richter. Dabei bemühen sich die Berufsverbände um Kontakt zu den Richtern, um Aufklärungsarbeit zu leisten: "Viele Richter haben sich schon mit dem Thema befasst", meint dazu Gerhart Conrad Fürst, Vorstandsmitglied des Österreichischen Netzwerks Mediation, dem zwölf Mitgliedsvereine mit an die 1.000 Mediatoren angehören.
Ein sicheres Zukunftsfeld für Mediatoren öffnet sich durch das neue Nachbarschaftsrecht, nach dem seit 1. Juli dieses Jahres eine außergerichtliche Streitbereinigung dem Gerichtsverfahren zwingend vorgeschaltet ist. Hier müssen die Parteien nachweisen, eine Lösung dieser Art angestrebt zu haben, bevor sie vor den Richter treten können. Laut Sektionschef Gerhard Hopf, Leiter der Zivilrechtssektion im Justizministerium, ist eine Evaluation der neuen Vorschrift frühestens in einem Jahr sinnvoll und vorgesehen - doch habe man aus informellen Gesprächen mit Streitschlichtern bisher einen "tendenziell positiven Eindruck" bekommen.
Zukunft der Streitschlichtung
Für die Zukunft sehen die Vertreter der Berufsorganisationen große Chancen. Schuhmann-Hommel ortet Bedarf "in familienrechtlichen Konflikten, im Nachbarschaftsbereich und in der Wirtschaftsmediation". Fürst nennt u.a. das Arbeitsrechts, "hier liegen 1.000 Fälle bei den Gerichten, wovon so mancher an eine Mediation zugewiesen wird", sowie die Mediation in Bürgerbeteiligungen. So bestehe bereits heute in der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) die Möglichkeit des Betreibers, eine Mediation einzuschalten, womit das Behördenverfahren für diese Zeit stillstehe.