Zum Hauptinhalt springen

"Ein bodenloser Sauhaufen"

Von Karl Leban

Wirtschaft

EU-Wettbewerbshüter billigt Abbauplan - zusätzliche Beihilfen für Hypo möglich.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Das Okay aus Brüssel ist da. Seit Dienstag hat die Republik den offiziellen Segen der EU-Wettbewerbshüter für den Abbauplan und einen maximalen Beihilferahmen von 11,7 Milliarden Euro für ihr Sorgenkind, die Kärntner Hypo Alpe Adria. "Damit können wir nun den geordneten Rückzug antreten", sagt Maria Fekter.

Doch weder die Finanzministerin noch der oberste Hypo-Aufseher Klaus Liebscher wollen sich auf Prognosen einlassen, wie viel Geld die schwer marode Bank tatsächlich noch verschlingen wird. "Mit Zahlen, die ich nicht begründen kann, gehe ich nicht hausieren", so Liebscher, der einst Chef der Nationalbank war.

Zum positiven Bescheid Brüssels erklärt Fekter: "Die Beihilfen, die wir in der Vergangenheit gewährt haben, sind jetzt rechtskonform. Gleichzeitig erlaubt uns die EU-Kommission, weitere Beihilfen zu gewähren."

Bisher hat der Bund 3,1 Milliarden Euro an Hilfen geleistet (in Form von Kapitalzuschüssen und Haftungen). Für einen möglichen weiteren Kapitalbedarf der Hypo räumt die EU Österreich für 2013 bis 2017 einen Rahmen von 2,6 bis 5,4 Milliarden Euro ein (womit schon in Kürze jene 700 Millionen Euro fließen können, die das Institut nach seinem horrenden Halbjahresverlust akut benötigt). Für allfällige Liquiditätsgarantien sind es zusätzlich 2,5 bis 3,2 Milliarden Euro, sofern sich die Bank nach Auslaufen der Kärntner Landeshaftungen nicht anders refinanzieren kann.

Finanzministerin sieht Budgetpfad nicht gefährdet

Der von der EU nun zugestandene Beihilferahmen liegt also bei 8,2 bis 11,7 Milliarden Euro. Die Regierung geht jedoch davon aus, ihn nicht ausschöpfen zu müssen, und ist um Beschwichtigung bemüht. "Die Bandbreiten sind Bewilligungsbandbreiten, was nicht heißt, dass wir genau dieses Geld brauchen", sagt Fekter.

Was die Stress-Annahmen der EU für den eingeräumten Rahmen betrifft, so unterstellen diese zum Beispiel, dass der Verkauf der südosteuropäischen Hypo-Töchter, für den die Kommission die Frist um fast zwei Jahre bis Mitte 2015 erstreckt hat, null Erlös bringt. "Das ist unrealistisch", versichert Liebscher.

Fekter ist zudem davon überzeugt, dass die Hypo das für 2016 angepeilte Nulldefizit nicht in Gefahr bringt. Zumindest derzeit hat die ÖVP-Ministerin offenbar keine Geldsorgen. Sie verweist dazu auf Einnahmequellen in der benachbarten Schweiz. Mit den Eidgenossen hat die Republik ein Abkommen wegen österreichischer Steuerflüchtlinge geschlossen. "Inzwischen sind schon 671 Millionen Euro da", sagt Fekter. "Und jedes Monat kommen weitere Millionen dazu. Ich gehe davon aus, dass wir die Milliarde weit überschreiten werden." Hilfreich sei auch, dass die "Erste" vor einem Monat das Staatskapital von 1,2 Milliarden Euro zurückgezahlt habe.

Wie viel Geld der Steuerzahler in die Hypo künftig noch hineinbuttern muss, hängt von Verlusten ab, die durch weitere Wertberichtigungen anfallen, aber auch durch den Verkauf von Assets unter deren Buchwert. Deutlich gelindert würde der Kapitaldruck jedenfalls durch eine zentrale Abbaueinheit (letztlich eine Art Bad Bank), in die alle Altlasten des Instituts - zum Beispiel faule Kredite und unverkäufliche Immobilien - verschoben werden. Ein Konzept für diesen "Abbauteil" möchte Liebscher der Regierung Ende September vorlegen. Derzeit prüfe man sieben bis acht Varianten für ein solches Modell, das nach Möglichkeit noch heuer stehen soll.

"Marode Teile einer Bank lösen sich nicht in Luft auf"

Fekter pocht nach wie vor auf eine "kluge Lösung" für den geplanten Abbauteil, den Liebscher mit 18 Milliarden Euro beziffert. Vom Begriff "Bad Bank" will sie weiter nichts wissen. "Marode Teile einer Bank lösen sich nicht in Luft auf", so die Ministerin. Beabsichtigt ist, ein Modell zu wählen, mit dem man die Belastung des Staatshaushalts möglichst gering halten kann. "Es geht darum, die Verluste für den Steuerzahler zu minimieren. Eliminieren geht nicht", sagt Liebscher. Geholfen wäre der Republik, wenn sich die Großbanken des Landes an der geplanten Hypo-Verwertungsgesellschaft beteiligten. Doch diese zieren sich nach wie vor. Fekter will sie aber auf alle Fälle ins Boot holen: "Ich werde dafür kämpfen." Eine mehrheitliche Beteiligung der Großbanken würde ein verhindern, dass die Staatsschuldenquote steigt.

Für das heurige Jahr gibt die EU-Kommission in ihrem Beihilfebescheid einen Kapitalbedarf von 1,9 bis 3,0 Milliarden Euro für die Hypo an. "Wenn wir 700 oder 900 Millionen oder auch eine Milliarde brauchen, ist das in der Größenordnung des Rahmens inkludiert", erklärt Liebscher. Laut seinen Worten sollten sich heuer jedoch auch die 1,9 Milliarden Euro reduzieren lassen, sofern die Abbaueinheit noch in diesem Jahr installiert werden kann.

Dass die gesamte Hypo nicht mehr bis Jahresende 2013 abgewickelt werden muss, wie die EU ursprünglich verlangt hatte, sorgte im Übrigen für großes Aufatmen in der Regierung. Eine sofortige, gesamthafte Abwicklung hätte "enormen Schaden für die Republik bedeutet", so Fekter. Unter dem Strich wären es 16 Milliarden Euro gewesen, sagt die Ministerin mit Hinweis auf Berechnungen der Nationalbank. "Mit der positiven Entscheidung der EU konnten wir dieses Horror-Szenario abwehren."

Für die Abwicklung hat Österreich nun mehr Zeit. "Ein Zeitgewinn ist zwar nur ein Zeitgewinn, aber gerade bei Banken ist Zeit auch Geld", betont Finanzstaatssekretär Andreas Schieder (SPÖ). So muss der Verkauf der Balkan-Töchter, auf die eine Bilanzsumme von rund zehn Milliarden Euro entfällt, wie erwähnt erst bis Mitte 2015 erfolgen. Damit besteht nun die Chance auf bessere Preise. Die Märkte in Südosteuropa müssen sich jedoch erholen.

Die Österreich-Bank der Hypo ist bereits verkauft (für 65,5 Millionen Euro). Was fehlt, ist der formalrechtliche Abschluss, das Closing, das Liebscher im kommenden vierten Quartal erwartet. Bei der defizitären Tochter in Italien schließlich hat man das Neugeschäft Ende Juni eingestellt. Diese Tochter ist damit aus dem Wettbewerb genommen.

Finanzstaatssekretär

verteidigt Verstaatlichung

Weiterhin verteidigt wird im Finanzministerium die Notverstaatlichung der Hypo im Dezember 2009. Laut Schieder hat die Nationalbank damals das über Nacht entstehende Drohpotenzial im Fall einer Pleite mit mehr als 28 Milliarden Euro beziffert, darunter 20 Milliarden Euro Landeshaftungen und 3,4 Milliarden Euro für Einlagensicherung, Kreditforderungen und Pfandbriefe des Hyposektors. Außerdem hätte eine Hypo-Pleite zu einer Destabilisierung am Balkan geführt - mit Folgen auch für andere österreichische Geldinstitute, die dort tätig sind.

Die politische Hauptschuld für das Hypo-Debakel sieht Fekter bei FPÖ/BZÖ - und zwar wegen der Haftungsübernahmen des Landes Kärnten, die erst die enorme Expansionspolitik der Bank erlaubt hätten. Dafür sei das Institut weder organisatorisch noch personell noch kapitalmäßig vorbereitet gewesen. Auch die EU macht das Land Kärnten und das frühere Hypo-Management als Hauptverursacher der Misere aus.

Hypo-Aufsichtsratsvize Rudolf Scholten sagt dazu, er habe einen "bodenlosen Sauhaufen" vorgefunden, als er vor drei Jahren in die Hypo kam. Alle Regeln des Geschäfts seien dort massiv verletzt worden, Kontrollsysteme habe es de facto keine gegeben.